Es gibt Anzeichen dafür, daß die Bundesregierung hinsichtlich von Abschiebungen nach Syrien eine vorsichtigere Haltung einnimmt. Offenbar zeigt die Debatte, die von NGOs und im Bundestag insbesondere von der Fraktion Die Linke seit langem mit dem Ziel geführt wird, Flüchtlinge nicht nach Syrien abzuschieben, weil dort Menschenrechte verletzt werden, allmählich Wirkung. Denn das Bundesministerium des Innern hat kürzlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg angewiesen, Asylanträge von Bewerbern aus Syrien nicht als »offensichtlich unbegründet« abzulehnen. Ferner wurde angeordnet, Entscheidungen über Folgeanträge zurückzustellen.
Diese neue Tendenz im Verhalten der Behörden gibt für die Betroffenen Anlaß zu leiser Hoffnung. Denn die Anweisung des Innenministeriums bedeutet im Klartext, daß jede Person aus Syrien einen Asylfolgeantrag stellen kann und daraufhin zunächst eine Aufenthaltsgestattung erhält. Damit wird de facto vorerst ein individueller Abschiebeschutz hergestellt, auch wenn es nicht zu der an sich gebotenen allgemeinen Aussetzung von Abschiebungen kommt. Praktisch wird von der Bundesregierung eine Art »Abschiebestopp durch die Hintertür« eingeführt, für den die Zustimmung der Bundesländer nicht benötigt wird. Ein ähnliches Verfahren hat Berlin auch schon im Fall Sri Lanka gewählt.
Das Bundesinnenministerium (BMI) hat außerdem verfügt, daß Abschiebungen, sofern sich dennoch durchzuführen seien, »sorgfältig geprüft« und mit dem BAMF abgesprochen werden müssen. Dabei seien die Landesinnenministerien jeweils einzubeziehen. Somit ist zu hoffen, daß Abschiebungen nach Syrien künftig die Ausnahme sein werden.
Zu dieser Tendenzwende in der Politik der Bundesregierung ist es offenkundig durch das beharrliche Drängen der NGOs und der Opposition gekommen. Denn das BMI bezieht sich in seinem Schreiben ausdrücklich auf den außerparlamentarischen Protest und die parlamentarischen Initiativen zum Thema Syrien.
Zuletzt hatte die Fraktion Die Linke am 15. Dezember 2009 einen Antrag mit dem Titel »Abschiebungen nach Syrien stoppen – Abschiebeabkommen aufkündigen« gestellt. Die Forderung wurde in der Plenarsitzung des Bundestags am 17. Dezember 2009 wiederholt. Die Linke kritisierte in dieser Debatte, die zum Thema »Menschenrechte weltweit schützen« stattfand, es gehe nicht an, mit Ländern Rückübernahmeabkommen zu schließen, die elementare Rechte verletzen.
Das Rückübernahmeabkommen mit Syrien wurde geschlossen, obwohl die Bundesregierung ganz genau weiß, daß dort massiv die Menschenrechte verletzt werden – insbesondere die von Kurden, Jesiden und jeglicher politischen Opposition. Daß die Bundesregierung darüber Kenntnis hat, bestätigte sie in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken.
Etwa 8350 Menschen aus Syrien, die hier keinen regulären Aufenthaltsstatus haben, sowie mindestens 3000 staatenlose Menschen sind von Abschiebung bedroht. Die Linke bezeichnete es als »ein Novum, daß man Menschen, die staatenlos sind, in ein Land zurückschickt, von dem man ganz genau weiß, daß sie dort absolut rechtlos sind, daß sie beispielsweise keinen Zugang zu Bildung oder zu den Sozialsystemen haben, daß auch die Kinder keine Bildungschancen haben«.