Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat dramatische Fakten aus einem internen Papier des Auswärtigen Amtes öffentlich gemacht. In dem als vertraulich eingestuften »Ad-hoc-Ergänzungsbericht zum Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien« vom 29. Dezember 2009 werden drei konkrete Fälle aufgelistet. Aus ihnen zieht Pro Asyl den Schluß, daß Abschiebungen in dieses Land inakzeptabel sind. Der Bericht offenbare die »Fortsetzung und Bestätigung der bisherigen syrischen Politik der dauerhaften Menschenrechtsverletzungen«, so die Hilfsorganisation am Freitag. Pro Asyl fordert daher die Aufkündigung des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens und einen Abschiebungsstopp. Die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke unterstützt das Anliegen.
»Bereits der Abschluß des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens war ein in Deutschland weithin unterbewerteter Skandal, nahe an der Komplizenschaft mit dem syrischen Regime«, betonte Pro Asyl-Referent Bernd Mesovic in der Presseinformation. Nach der aktuellen Bewertung der Lage durch das Auswärtige Amt müsse das Bundesinnenministerium unverzüglich Konsequenzen ziehen und einen sofortigen Abschiebungsstopp verhängen. Notwendig sei ferner eine veränderte Anerkennungspraxis beim Bundesamt für Flüchtlinge aus Syrien. Der Bericht bestätige einmal mehr den Charakter des Regimes als Verfolgerstaat und die Gefahren für Abgeschobene. Aus dem Papier gehe hervor, daß Flüchtlinge, die nach Syrien abgeschoben werden, mit Inhaftierungen rechnen müßten und es kaum Chancen auf ein rechtsstaatliches Verfahren gebe.
Konkret schildert das Außenministerium den Fall eines Mannes, der zwei Wochen nach seiner Ankunft in Syrien vom Geheimdienst festgenommen wurde und beschuldigt wird, Falschinformationen über den Staat verbreitet zu haben. Konkret lautet der Vorwurf, er »habe in Deutschland an einer Demonstration gegen das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen teilgenommen«. Dies wird de facto als »staatsfeindliche Tätigkeit« gewertet. Der Betroffene muß mit einer Haftstrafe von zwei bis drei Jahren rechnen. Daß in Syrien die elementarsten Rechtsgarantien verweigert werden, zeigt auch die Aussage des Amtes, daß derartige Strafprozesse »oftmals ausschließlich mündlich« verhandelt werden. Der Bericht legt den dringenden Verdacht nahe, daß Abgeschobene immer wieder Bestechungsgelder zahlen müssen, um aus der Haft freizukommen.
Die Linksfraktion im Bundestag hat für die kommende Sitzung des Innenausschusses am 27. Januar einen Antrag eingebracht, der einen sofortigen Abschiebestopp und die Kündigung des Rückübernahmeabkommens fordert. Es sei »vollkommen unverantwortlich, weiterhin Abschiebungen nach Syrien vorzunehmen«, heißt es in einer Pressemitteilung der Fraktion vom Freitag.
Das Bundesinnenministerium hat die Bundesländer bislang lediglich gebeten, anstehende Abschiebungen in das Land »mit besonderer Sorgfalt zu prüfen«. Solche Appelle haben nach Auffassung von Pro Asyl in der Vergangenheit allerdings »keine dauerhafte Wirkung gezeigt«. Nach Vorlage des Berichts durch das Auswärtige Amt müsse dieser »Eiertanz« aufhören.