Der Bund der Vertriebenen (BdV) versuchte am Dienstag, den Streit über die Mitwirkung seiner Präsidentin Erika Steinbach im Rat der Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« dazu zu nutzen, neue Vorteile für sich auszuhandeln. Seit Wochen wehrt sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) gegen eine Berufung Steinbachs in den Stiftungsrat, da dies zu einer erheblichen Belastung der deutsch-polnischen Beziehungen führen würde. Eine Benennung Steinbachs gilt in Polen als Provokation, weil die CDU-Bundestagsabgeordnete im Einklang mit der revanchistischen Linie ihres Verbandes im Parlament gegen den Grenzvertrag mit Warschau gestimmt hatte. Dennoch stellte der BdV jetzt für den Fall eines Verzichts Steinbachs Forderungen an die Bundesregierung. Sollten diese nicht akzeptiert werden, drohte er mit juristischen Schritten und dem Rückzug aus dem Projekt.
Hauptsächlich geht es dem BdV um die Aufstockung der Zahl der sogenannten Vertriebenenvertreter im Stiftungsrat sowie um die Abschaffung des Vetorechts der Bundesregierung bei der Benennung von Ratsmitgliedern, »um zukünftige politische Bevormundung auszuschließen«. Ferner wird verlangt, der Stiftung die gesamte Fläche des Deutschlandhauses zur Verfügung zu stellen, »um Siedlungsgeschichte, Vertreibungsschicksale und Integration der deutschen Vertriebenen sowie deren Dokumentation adäquat darstellen zu können«. Falls die Bundesregierung auf diesen Vorschlag eingehe, »entfällt die Notwendigkeit, daß der BdV durch seine Präsidentin im Stiftungsrat vertreten sein muß«, heißt es in einem Beschluß des Verbandes.
Die CDU/CSU signalisierte sofort Zustimmung. FDP-Chef Westerwelle zeigte sich gesprächsbereit. Gegen mehr BdV-Mitglieder im Stiftungsrat sprachen sich die Grünen aus. »Schon heute hat der BdV die höchste Zahl an Stiftungsratsmitgliedern. Der Bundestag hat sogar nur zwei Sitze«, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast urteilte, die BdV-Vorschläge seien »keine goldene Brücke«, sondern »eine bodenlose Unverschämtheit«. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, Steinbachs Forderungen seien »der erpresserische Versuch, das Anliegen der Stiftung in ihrem Sinne zu verändern«. Für die Linksfraktion erklärte Petra Pau: »Der Bundestag sollte sich endlich eingestehen: Diese ganze Stiftungsidee war ein Spiel mit dem Feuer, das keine Gewinner kennt«. Alternativ forderte sie erneut eine europäische »Stiftung gegen Krieg«, die bei den Ursachen von Kriegen ansetzen und deren Folgen einbeziehen würde.
erschien in: Junge Welt 6.1.2010