Die anhaltenden Proteste von Opposition, Gewerkschaften und Datenschützern gegen die Überwachung und Ausforschung von Beschäftigten durch den »Elektronischen Entgeltnachweis« (»Elena«) zeigt Wirkung. Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums erklärte, man werde den Katalog der zu erfassenden Daten noch einmal überarbeiten. »Elena« ist ein Projekt, das bereits von der SPD-Grünen-Bundesregierung als angeblicher Beitrag zur Entbürokratisierung auf den Weg gebracht worden war. Die große Koalition aus CDU/CSU und SPD hat dann im sogenannten Elena-Verfahrensgesetz vom 28.März 2009 festgelegt, daß ab 2010 schrittweise eine detaillierte Speicherung von Beschäftigtendaten durch eine zentrale Stelle des Bundes erfolgen soll.
Verkauft wurde das Projekt als »Verwaltungsvereinfachung«, die auch den Betroffenen nütze. In der Vergangenheit seien Arbeitsbescheinigungen in Papierform an die Sozialversicherungen geschickt worden, um die Entgeltdaten für die Berechnung von Arbeitslosengeldern oder Renten zu verwenden. Mit »Elena« spare man Arbeitsaufwand und Zeit, weil eine elektronische Übermittlung und zentrale Speicherung erfolge, so daß Berechnungen schneller durchgeführt werden könnten. Auf diese Weise könnten Anträge auf staatliche Leistungen wie Kindergeld, Elterngeld oder Arbeitslosengeld sowie Rentenberechnungen schneller bearbeitet werden.
Gegen Ende vorigen Jahres wurde bekannt, daß die Bundesregierung einen Datenbogen von sage und schreibe 41 Seiten erarbeitet hat. Darin werden sensible Sachverhalte abgefragt. So wird in der Rubrik »Fehlzeiten« ermittelt, ob ein Arbeitnehmer »rechtmäßig« oder »unrechtmäßig« gestreikt habe. Ferner sollen die Unternehmen Kündigungsgründe und Abmahnungen nennen sowie bei Entlassungen schildern, welches »vertragswidrige Verhalten« zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt habe.
Diese Überwachungsorgie rief einen Sturm der Entrüstung hervor. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und die Partei Die Linke übten massive Kritik. Ver.di-Chef Frank Bsirske bezeichnete »Elena« als ein »ursprünglich sinnvolles Projekt«, das aber »durch aberwitzige Datensammelwut« ins absolute Gegenteil verkehrt werde. Er kündigte bereits im Dezember 2009 eine Klage seiner Gewerkschaft an.
Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte stellte klar, daß die generelle Speicherung solch sensibler Daten in einer zentralen Datei gesetzlich nicht geboten und noch dazu verfassungsrechtlich unzuläßig sei. Es sei eine Grenzüberschreitung, Daten über Streikteilnahme und Fehlzeiten von vierzig Millionen Arbeitnehmern abzufragen. Die Linke sprach von einer »maßlosen staatlichen Sammelwut«. Sogar der Ärzteverband Marburger Bund drohte mit einer rechtlichen Überprüfung des Projekts. Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix übte am Montag im ARD-Morgenmagazin noch einmal heftige Kritik. »Ich halte das für eine unverhältnismäßige Vorratsdatenspeicherung«, betonte Dix. Auch die Financial Times Deutschland kommentierte unter der Überschrift »Das Monster Elena«: »Das Vorhaben der Bundesregierung, alle Arbeitnehmerdaten jahrelang zentral zu speichern, schießt über das Ziel hinaus.«
Die Süddeutsche Zeitung empahl einen »Datenschutz-Check für Elena«. Sie zitierte den Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestags Wolfgang Bosbach (CDU), mit der Forderung, der Fragenkatalog solle »noch einmal durchforstet und auf seine Sinnhaftigkeit überprüft werden«. Schließlich zeige sich auch der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Alexander Gunkel, dem Berliner Tagesspiegel gegenüber unzufrieden. Der zusätzliche Aufwand für die Unternehmen stehe bislang in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Die Proteste veranlaßten das Bundesarbeitsministerium nun zu einem Rückzieher. Der Datensatz des »Elena«-Verfahrens werde überprüft. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung bereits am Wochenende einen Sprecher des Ministeriums zitiert: »Wir werden nur die zur Berechnung von Sozialleistungen zwingend erforderlichen Informationen speichern. Der entsprechende Datenfragebogen wird in Kürze überarbeitet.«
Erschien in junge Welt 5.1.2010