Liebe Freundinnen und Freunde,
seit über zwei Monaten kämpfen die Beschäftigten des staatlichen türkischen Tabakmonopols Tekel gegen ihre Entlassung. Ihre Arbeitsstätten wurden geschlossen, nachdem die Regierung zuvor die Tabakfabriken an ausländische Unternehmen verkauft hat.
Alles was die Regierung den Tekel-Arbeitern anbietet ist die Übernahme in den sogenannten 4 C Status. Dies ist ein rechtloser Status als Arbeitssklaven mit großen Lohnverlust ohne Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft.
Der Tekel-Kampf ist Teil des europa- und weltweiten Kampfes gegen den Neoliberalismus. Die Tekel-Privatisierung ist auch eine Folge der EU-Politik, die dies von der Türkei als Beitrittskriterium verlangt. Mit dem Vertrag von Lissabon ist der Neoliberalismus quasi zum europäischen Verfassungsgrundsatz erklärt worden.
Hier in Deutschland wurde vor fünf Jahren von der rot-grünen Regierung Hartz IV eingeführt. Der 4 c-Status, den die Regierung den Tekel-Arbeitern geben will, ist gewissermaßen das türkische Gegenstück zu Hartz IV. In beiden Fällen geht es darum, einen Niedriglohsektor aus fast rechtlosen Arbeitssklaven zu bilden, um damit die Löhne insgesamt bis ans Existenzminimum zu drücken.
Die Tekel-Arbeiter zeigen uns, wie sich dagegen Widerstand organisieren lässt.
In Deutschland sind politische Streiks, Solidaritätsstreiks und Generalstreiks verboten – ebenso wie in der Türkei. Die Kolleginnen und Kollegen in der Türkei haben uns Anfang Februar mit einem großartigen landesweiten Solidaritätsstreik gezeigt, dass man nach einem solchen Recht nicht im Parlament betteln muss, sondern es sich in der praktischen Aktion nimmt. Von den türkischen und kurdischen Kollegen können wir noch viel lernen!
Noch etwas zeigt uns der Tekel-Kampf. Gemeinsamer Klassenkampf überwindet Rassismus und chauvinistische Vorurteile.
Während in anderen Städten der Türkei Lynchattacken gegen Kurden, Roma und Linke stattfinden, kämpfen in Ankara Türken, Kurden und Lasen – Aleviten, Sunniten und Laizisten – Sozialisten und Kemalisten – Männer und Frauen – Schulter an Schulter.
Was zählt, sind die gemeinsamen Interessen als Lohnabhängige und nicht Religion oder ethnische Identität.
Heute ist der Tekel-Kampf ein Fokus für alle Menschen, die sich in der Türkei gegen Neoliberalismus, Privatisierung und Ausbeugung wehren. Die Solidarität ist quer durch alle Bevölkerungsschichten groß.
Leider ist dieser vorbildliche Kampf auch nach zwei Monaten in Deutschland nahezu unbekannt. Mit Ausnahme der sozialistischen Presse berichtet keine Tageszeitung über den Streik der Tekel-Beschäftigten.
Offenbar wollen liberale Journalisten nicht ihr Idol Tayyip Erdogan in schlechten Licht erscheinen lassen. Denn uns wird der türkische Ministerpräsident als Demokrat und Reformer der Türkei verkauft. Viel wird darüber geschrieben, dass Erdogan eine demokratische Öffnung verkündet hat.
Die Werktätigen in der Türkei konnten in den letzten Monaten erleben, was diese demokratische Öffnung in Wirklichkeit bedeutet:
• Privatisierungen und Massenentlassungen, Knüppel und Tränengas für Arbeiter
• Verhaftungen demokratisch gewählter kurdischer Bürgermeister
• ein immer weiteres Vordringen islamischer Netzwerke, die die Rechte der Frauen einschränken.
Am Wochenende wurden wieder hunderte kurdische Politiker festgenommen.
Und jetzt droht die Regierung Erdogan mit der polizeilichen Räumung des Camps der Tekel-Arbeiter von Ankara.
Die „demokratische Öffnung“ ist in Wirklichkeit die Fortsetzung der Militärdiktatur mit anderen Mitteln. Sie bedeutet die Errichtung einer Zivildiktatur gegen die Werktätigen, gegen Kurden und Aleviten, gegen Laizisten und die Frauenbewegung.
Die demokratische Öffnung bedeutet die weitere Öffnung des Landes für das europäische und amerikanische Großkapital.
Der Tekel-Kampf steht dafür für wirkliche Demokratie von unten.
• Für den Widerstand gegen Neoliberalismus und Privatisierung.
• Für Solidarität und die Geschwisterlichkeit der Völker.
• Für unseren gemeinsamen internationalen Kampf für ein gutes und würdiges Leben
Lassen wir unsere Kolleginnen und Kollegen in der Türkei bei diesem wichtigen Kampf nicht allein.
Sie verdienen jede nur möglich Solidarität!