Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), geht sogar so weit, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine Verharmlosung der Gewalt gegen Polizeibeamte vorzuwerfen. Sie lehnt die Pläne der Union ab, eine Mindeststrafe von drei bis sechs Monaten Freiheitsentzug und eine Höchststrafe von fünf Jahren einzuführen. Sie selbst hat einen Entwurf vorgelegt, der eine Strafverschärfung vorsieht, wenn »gefährliche Werkzeuge« eingesetzt werden, zu denen Eisenstangen und Flaschen zählen.
Leutheusser-Schnarrenberger verweist zu Recht darauf, daß Gewalt gegen Polizisten nicht nur über den Paragraphen 113 verboten ist. Wie jede Gewalttat werde auch Gewalt gegen Polizisten als Körperverletzung geahndet. Der Strafrahmen beträgt bis zu fünf Jahre bei einfacher und bis zu zehn Jahre bei gefährlicher Körperverletzung. Der Widerstandsparagraph ist ein Extraschutz für Polizisten. Für Demonstrenten kann er erhebliche Nachteile haben, denn Widerstandshandlungen sind unter Umständen selbst dann strafbar, wenn die Anordnungen der Polizei gegen geltendes Recht verstoßen. Widersetzt man sich etwa einem Platzverweis, wird man bestraft, auch dann, wenn sich der Verweis später als rechtswidrig herausstellt.
Dennoch erwägt man in der CDU/CSU, noch weiter zu gehen und eine Sondervorschrift für Angriffe auf Polizeibeamte einzuführen, auch wenn diese keine Diensthandlungen vornehmen. Höhere Strafen soll es auch bei Tätlichkeiten gegenüber Feuerwehrleuten und Sanitätern geben. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz äußerte sich »wohlwollend« zu den Plänen. Christian Ahrendt (FDP) kritisierte hingegen den »Strafverschärfungspopulismus« der Union. Die Linksfraktion sprach in einer Presseerklärung von einer »Kampagne gegen linke Protestbewegungen«. Sie verwies auf die Relativierungen neofaschistischer Gewalt und das Aufbauschen angeblich linksextremistischer Taten in den vergangenen Tagen. Jüngstes Beispiel ist ein Interview des Berliner Innensenators Ehrhart Körting (SPD) in der Berliner Zeitung (Dienstagausgabe). Darin kündigte er an, am 1. Mai in Berlin den Weg für einen Neonaziaufmarsch frei zu machen. Zu den Aufrufen eines breiten antifaschistischen Bündnisses, die Rechten mit friedlichen Mitteln zu stoppen, behauptete Körting: »Blockade ist eine Form von Gewalt und damit eine Straftat, egal, wer sie begeht.« Die Linkspartei verurteilte dies als »Kampfansage an Antifaschisten« und warnte davor, Polizisten gegen friedliche Demonstranten einzusetzen. Die Verhinderung von Neonaziaufmärschen sei für Demokraten eine Selbstverständlichkeit. Das Bündnis »1. Mai nazifrei« mobilisiert für Samstag morgen in den Prenzlauer Berg, wo die Rechten wahrscheinlich laufen sollen.
Aktuelle Infos unter: www.1-Mai-nazifrei.tk