Ein »Begräbnis zweiter Klasse« gab es vergangene Woche bei der Innenministerkonferenz der Europäischen Union (EU) in Luxemburg für das sogenannte Schengen-Informationssystem II (SIS II). Dieser Datenaustausch zwischen den EU-Mitgliedsstaaten zu »Fahndungszwecken« scheint endgültig zu scheitern. Zunächst wurde beschlossen, die Einführung von SIS II auf 2013 zu verschieben. Ausschlaggebend hierfür war aber nicht etwa die Einsicht, daß zur Wahrung der Bürgerrechte und des Datenschutzes heutzutage große Datensammlungen beispielsweise vom Bundesverfassungsgericht äußerst kritisch gesehen werden. Vielmehr verhindern bislang finanzielle Gründe, daß die ehrgeizigen Pläne der EU-Innenminister realisiert werden.
Der Wegfall der Grenzkontrollen zwischen zahlreichen EU-Staaten aufgrund des Schengener Abkommens wurde von den Befürwortern stets mit dem Argument verkauft, daß hierdurch ein »Raum des Rechts und der Freiheit« entstehe. Schöne Worte – Einher ging mit ihnen eine enorme Aufrüstung bei den Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen bis hin zur polizeilich-militärischen Abwehr von Schutzsuchenden durch die EU-»Grenzagentur« Frontex.
Diese restriktive Politik ist verbunden mit einem strikten Visaregime, über das sich am Samstag erst wieder der russische Präsident Dmitri Medwedjew bei Bundeskanzlerin Angela Merkel beschwert hat. Zu ihr gehört aber auch ein möglichst lückenloser Datenaustausch zwischen den Schengen-Staaten. Die Informationssysteme sind daher ein integraler Baustein der europäischen Abschottungspolitik.
Der Datenaustausch zwischen den Polizei- und Zollbehörden sollte eigentlich schon vor Erweiterung des Schengen-Raums um die osteuropäischen Staaten im Jahre 2007 auf eine moderne technische Basis gestellt werden. Mit SIS II sollte die Abriegelung der Grenzen dem neuesten Stand der Technik angepaßt werden. Die Kosten hierfür waren ursprünglich auf 15,5 Millionen Euro geschätzt worden. Mittlerweile haben sich diese fast verzehnfacht und liegen derzeit bei 143 Millionen Euro. Technische Pannen sind hinzugekommen, der Zeitplan ist längst aus den Fugen geraten. Deutschland, Österreich und Frankreich haben laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) inzwischen »erhebliche Zweifel, ob das je zu einem guten Erfolg führt«. Die österreichische Innenministerin Maria Fekter sprach auf der EU-Tagung in Luxemburg sogar von einem Millionengrab.
Dennoch konnten sich die Innenminister noch nicht dazu durchringen, das Projekt endgültig aufzugeben. Das derzeitige Mandat der EU-Kommission für die weitere Entwicklung von SIS II läuft Ende des Jahres aus. Die Kommission hält aber an dem Projekt fest. Denn alleine in den Zentralrechner in Strasbourg wurden schon mehr als 60 Millionen Euro investiert. De Maizière betonte dagegen in Luxemburg, es sei sinnvoller, das existierende SIS I zu modernisieren. Es kann daher durchaus sein, daß auf dem nächsten Ministerratstreffen im Juli 2010 SIS II endgültig aufgegeben wird.
Dagegen steht eine Neuauflage des SWIFT-Abkommens zwischen der EU und den USA über die Weitergabe von Bankdaten offenbar unmittelbar bevor. Die Vereinbarung war wegen Datenschutzbedenken vom Europäischen Parlament angehalten worden. Wie auf der EU-Innenministerkonferenz bekannt wurde, soll bis Ende Juni ein neuer Vertragstext vorliegen. Zu klären seien zwar noch Fragen des Rechtsschutzes und der Speicherfristen. »Bei den Verhandlungen gibt es Fortschritte«, betonte jedoch de Maizière in Luxemburg. Nach einer Beschlußfassung im Ministerrat könnte etwa im Oktober 2010 das Europaparlament erneut über SWIFT beraten.