Die Bundesregierung hat sich dem Kampf gegen einen angeblich gefährlich anwachsenden Linksextremismus verschrieben. Auch »den Islam« gilt es kleinzuhalten, zum Beispiel mit neuen Aussteigerprogrammen. Unterdessen bleiben Millionen Euro zur Bekämpfung des Neofaschismus ungenutzt. Dies zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag zur Verwendung von Haushaltsmitteln gegen »Extremismus«. Im Titel »68643« im Bundeshaushalt stehen sechs Millionen Euro zur Verfügung. Sie waren von der Koalition aus SPD und Union im Sommer 2009 für die »Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in Ostdeutschland« bereitgestellt worden. Die CDU/CSU/FDP-Regierung hat den Haushaltsposten beibehalten, aber das Wort »Rechtsextremismus« durch »Extremismus« ersetzt.
Gerade im ländlichen Raum und in strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands müsse etwas getan werden, so das Innenministerium. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen stellten dort eine »besondere Herausforderung hinsichtlich der Entwicklung einer demokratisch aktiven Zivilgesellschaft dar«. Die spezifischen Bedingungen in Ostdeutschland begünstigten »die Ausbreitung und Verfestigung antidemokratischer Tendenzen, Demokratiemüdigkeit bis zu extremistischer Demokratieabwehr«, heißt es im Amtskauderwelsch des Ministeriums. Es gelte »extremistischen Einflüssen in jeder Erscheinungsform den Nährboden zu entziehen«. Das Problem Neofaschismus und gewaltbereite Rechtsextremisten finden keine Erwähnung mehr.
Nun ist die Regierung aber in einer Zwickmühle. Einerseits will sie auf keinen Fall Gelder an antifaschistische Initiativen auszahlen, die in ihren Augen »extremistisch« sind. Andererseits sucht sie vergeblich nach förderungswürdigen Projekten gegen »Islamismus« und »Linksextremismus« in den neuen Bundesländern. Fazit: Das Geld bleibt einfach liegen.
»Bisher erfolgte noch keine Förderung von Projekten, Initiativen und Vereinen«, gesteht die Regierung. Lediglich 300000 Euro aus dem Haushaltstitel »68643« gingen an die Bundeszentrale für politische Bildung zur Einrichtung einer Regiestelle und zur Bearbeitung von Projektanträgen. Erst im letzten Quartal 2010 soll mit der konkreten Projektförderung begonnen werden.
»Dieser Extremismusansatz vernebelt den Blick für die wirklichen Probleme«, kritisiert die Linksfraktion und schlägt der Bundesregierung vor, »die Mobilen und Opferberatungen zu kontaktieren. Sie können das Geld für ihre alltägliche Antifa-Arbeit dringend gebrauchen.«
erschien in junge Welt 28.7.2010