„Wenn Angestellte von Geheimdiensten einer Tätigkeit als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern bei Bundestagsabgeordneten oder Bundestagsfraktionen nachgehen, führt dies zwangsläufig zu Loyalitätskonflikten und einer Beschädigung des freien Mandats. Denn die Geheimen sind vom Geheimdienst nur beurlaubt und kehren nach Beendigung ihrer Arbeit im Parlament zu diesem zurück.
Damit besteht die Gefahr, dass sie Erkenntnisse aus ihrer Arbeit im Bundestag in die Geheimdienstarbeit einfließen lassen. Abgeordnete können sich nicht darauf verlassen, dass ihre Äußerungen und ihre Korrespondenz vertraulich behandelt werden. Das gleiche gilt für Unterlagen der Bundestagsausschüsse. Auch Bürgerinnen und Bürger, die sich an Abgeordnete und Fraktionen wenden, können nicht ausschließen, dass ihre Anliegen früher oder später einem Geheimdienst bekannt werden.
Wie umfangreich das Problem ist, kann derzeit kaum nachvollzogen werden. Gegenwärtig ist nach Angaben der Bundesregierung ein Angestellter des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei einem Bundestagsabgeordneten beschäftigt. In der vergangenen Legislaturperiode war ein „Verfassungsschützer“ in der CDU/CSU-Fraktion. Vor einigen Monaten wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter des Berliner Verfassungsschutzes bei einem SPD-Abgeordneten gearbeitet hatte. Generell wird die Bundesregierung aber nicht darüber informiert, inwieweit Mitarbeiter von Landesämtern für Verfassungsschutz im Bundestag arbeiten.
Um die Bedenken zu zerstreuen, verweist die Bundesregierung auf die „gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten“, die sich aus jedem Angestelltenverhältnis ergeben. Doch das Problem ist ja gerade, dass die Geheimstruktur der Geheimdienste es vereitelt, die Einhaltung dieser Verschwiegenheitspflichten zu kontrollieren. Da die Geheimdienst-Angestellten kaum fürchten müssen, jemals bestraft zu werden, brauchen sie keine Scheu zu haben, für den Geheimdienst sämtliche Erkenntnisse zu verwerten, die sie bei ihrer Arbeit im Parlament erlangt haben.
Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz hat wenigstens ansatzweise die Problematik erkannt und öffentlich erklärt, es halte eine parallele Tätigkeit seiner Mitarbeiter im parlamentarischen Raum „grundsätzlich für inkompatibel“. Es gibt sehr zu denken, dass die Bundesregierung sich dieser Auffassung nicht anschließt, sondern überhaupt kein Problem erkennen will. Die sauberste Lösung wäre ohnehin, auf diese Praxis komplett zu verzichten.