Rede im Bundestag zu TOP 20 der 55. Sitzung am 08. Juli 2010 – Antrag der SPD , Stellungnahme „Menschenhandel bekämpfen – Opferschutz stärken“
Wir debattieren heute über einen Antrag der SPD zur Bekämpfung des Menschenhandels, mit dem sie sich auf einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission bezieht. Die Bundesregierung soll bei den weiteren Verhandlungen zur Verabschiedung dieser Richtlinie eine Reihe von Forderungen berücksichtigen, die in diesem Antrag aufgelistet sind. Die SPD-Fraktion versucht mit diesem Antrag von den neuen Instrumentarien des Deutschen Bundestages Gebrauch zu machen, über die Bundesregierung auf die Politik der EU einzuwirken.
Die Bekämpfung des Menschenhandels ist ein ernstes Anliegen, das sicherlich von allen hier geteilt wird. Um so ärgerlicher ist die fehlende Ernsthaftigkeit, mit der die SPD dieses Thema bearbeitet. Sie waren sich doch wirklich nicht zu schade, einfach einen guten Teil von Forderungen aus einer Entschließung des Europäischen Parlaments abzuschreiben – und zwar wortwörtlich! Und dann sind Sie auch noch so dreist, diese Vorlage des Europäischen Parlaments mit keinem Wort zu erwähnen.
Vielleicht wäre es Ihnen ja peinlich gewesen, wenn man darüber gleich gemerkt hätte, dass Sie hier aus reiner Profilsucht ein Plagiat vorlegen. Vielleicht war Ihnen aber auch peinlich, was Sie aus dieser guten Vorlage nicht abgeschrieben haben. Es sind zwei ganz wesentliche Punkte, die ich Ihnen nennen werde.
Zum einen ein ganz allgemeiner Punkt: das Europäische Parlament fordert einen auf die Opfer ausgerichteten Ansatz zu wählen. In erster Linie soll es also um den Schutz der Opfer gehen, um Zugang zu Betreuung und rechtlicher Beratung. Also weniger um die repressiven Aspekte der Bekämpfung des Menschenhandels. Denn nur mit einer hohen Strafandrohung, wie sie der Richtlinienvorschlag enthält, ist den Opfern noch nicht geholfen.
Zum anderen geht es mir um einen ganz konkreten Punkt, den die SPD-Fraktion in ihrem Antrag einfach unter den Tisch fallen lässt: das Aufenthaltsrecht für die Opfer von Menschenhandel, die aus Ländern außerhalb der EU kommen. Die Entschließung des EP fordert, dass diese Menschen mindestens, ich betone mindestens, einen befristeten Aufenthaltstitel erhalten sollten, unabhängig von ihrer Bereitschaft, in Strafverfahren zu kooperieren. Bei der SPD bleibt von dieser Forderung nur das übrig, was ohnehin im Richtlinienvorschlag der EU-Kommission steht, wonach die Mitgliedsstaaten vorsehen können, den Opfern von Menschenhandel nach ihrer Aussage in einem Strafverfahren noch einen längeren Aufenthalt zu gewähren. Diese Gnade müssen sie sich aber erst mit einer Aussage in einem Strafverfahren verdienen.
Damit bleibt die SPD der Linie der Kommission, des Bundesinnenministeriums und der Unionsfraktion treu, Opfer von Menschenhandel lediglich für Strafprozesse instrumentalisieren zu wollen und sie gleich darauf in ihr Herkunftsland abzuschieben. Eine Politik, die die SPD übrigens in der Großen Koalition mitgetragen hat, als sie auf weitergehende Regelungen bei der Änderung des Aufenthaltsgesetzes im Sommer 2007 verzichtet hat. Auch diese Peinlichkeit lässt die SPD –Fraktion nicht aus: sie fordert in ihrem Antrag eine korrekte Umsetzung der bereits bestehenden Richtlinie der EU zur Erteilung von Aufenthaltstiteln an die Opfer von Menschenhandel, ganz so als ob sie das in der Koalition mit der Union in den vergangenen Jahren nicht selbst verbockt hätte.
DIE LINKE hat schon in den damaligen Debatten ganz klar gefordert, Opfern von Menschenhandel einen Aufenthaltstitel zu gewähren, ob sie sich nun als Zeugen für Strafverfahren zur Verfügung stellen oder nicht. Gerade Opfern sexueller Ausbeutung und Zwangsprostitution droht in ihren Herkunftsländern soziale Ausgrenzung und damit ökonomisches Elend. Dazu kommt, dass sie in ihren Herkunftsländern wieder ins Visier jener kriminellen Netzwerke geraten, deren Opfer sie bereits geworden sind. Das gilt auch für andere Opfergruppen von Menschenhandel, ob sie nun als Haushaltshilfen oder auf dem Bau arbeiten. Eine Abschiebung ist deshalb unzumutbar und das gerade Gegenteil von Opferschutz. In diesem Sinne fordern auch wir die Bundesregierung zu einer Revision ihrer bisherigen Verhandlungsposition auf.
(zu Protokoll gegeben)