Die Koalitionsfraktionen haben angekündigt, sogenannte Zwangsheiraten gesondert unter Strafe stellen. Nach dem Willen von CDU/CSU und FDP sollen hierfür Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren angedroht werden. Über den Bundesrat macht sich das schwarz-gelb regierte Baden-Württemberg, wo im nächsten Frühjahr gewählt wird, seit dem Jahr 2004 für den Ladenhüter stark.
Tatsächlich ist die Gesetzesverschärfung unnötig. Alle Fraktionen im Bundestag sind sich einig, daß es ein Verstoß gegen die Menschenrechte ist, wenn jemand gezwungen wird, gegen seinen Willen eine Ehe einzugehen. Von der Fraktion Die Linke wurden Zwangsehen wiederholt als Form »patriarchaler Gewalt« kritisiert. Doch der angekündigte Gesetzentwurf ist nur Show. Er geht an den wahren Problemen vorbei. Der Gebrauch von Zwang zur Herbeiführung einer Eheschließung ist längst unter Strafe gestellt, nämlich als besonders schwere Nötigung gemäß § 240 StGB.
Der Tatnachweis ist zweifellos schwierig. Die Gesetzesinitiatoren argumentieren beispielsweise, daß bei Familien mit Migrationshintergrund die Heiraten oft während des Urlaubs bei Verwandten in den Herkunftsländern arrangiert werden. Dies ist jedoch für sich alleinegesehen nicht strafwürdig. Es muß hinzukommen, daß die Eheschließung durch Gewalt oder Drohungen erzwungen worden ist. Der Beweis hierfür ist, zumal es sich um innerfamiliäre Ereignisse handelt, kaum zu führen. Aber daran würde auch ein gesonderter Straftatbestand nichts ändern.
Den Gesetzesplänen zufolge soll für die »Tathandlungen« deutsches Strafrecht auch dann gelten, wenn die Zwangsverheiratung im Ausland geschah. Auch das trifft für den jetzt schon geltenden Straftatbestand der Nötigung zu, wenn die Tat einen Bezug zu Deutschland hat. Eine neue Strafrechtsnorm wird nichts daran ändern, daß Ermittlungen durch deutsche Behörden im Ausland sich weiterhin schwierig gestalten dürften.
Der geplante neue Straftatbestand bringt für die Praxis also nichts Neues. Letztlich geht es nur um Symbolpolitik.Geholfen wäre vielen Opfern, wenn ihnen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zukommen würde. Genau das ist aber von den Koalitionsfraktionen nicht vorgesehen. Die FDP fordert immerhin ein Rückkehrrecht. »Wenn jemand für eine Zwangsehe ins Ausland verschleppt wird, ist der Weg zurück nach Deutschland oft die einzige Fluchtmöglichkeit«, so der FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff.
Bislang erlischt aber der Aufenthaltsstatus von Ausländern, wenn sie sich länger als sechs Monate außerhalb Deutschlands aufhalten. Diese Regelung erschwert es Zwangsverheirateten, sich aus der Ehe zu befreien.
Bereits bei einer Ausschußanhörung des Bundestags im Juni 2008 forderten die Sachverständigen für ins Ausland zwangsverheiratete Migrantinnen ein unbegrenztes Rückkehrrecht. Das Gegenteil war der Fall. Nicht selten wurde das Problem Zwangsheirat von der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD dazu mißbraucht, den Ehegattennachzug nach Deutschland einzuschränken. Auf der Strecke bleiben seither die betroffenen Frauen. Die von der großen Koalition eingeführte Pflicht zum Nachweis einfacher Deutschkenntnisse vor der Einreise wurde mit dem vorgeschobenen Argument der »Bekämpfung von Zwangsverheiratung« begründet. In Wahrheit wurde so kein einziger Fall von Zwangsverheiratung verhindert. Was man als Opferschutz getarnt hatte, zielte ganz einfach auf die Verhinderung von Familienzusammenführung.