Die CDU/CSU hat die Sicherungsverwahrung als ihr »Sommerloch«-Thema entdeckt. Vor allem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht die Chance, sich damit als Hardliner zu profilieren – immerhin galt er in seiner Fraktion bisher als »Weichei«, weil er nicht genug vor »terroristischen Gefahren« warne.
Im Sinne dieser Imagekorrektur wendet sich der Innenminister jetzt gegen die vom Bundesjustizministerium (BMJ) geplante Abschaffung der »nachträglichen« Sicherungsverwahrung. »Wer gefährlich ist, der muß wieder hinter Schloß und Riegel«, erklärte de Maizière in Bild. Vor wenigen Wochen hatte er allerdings im Kabinett noch den Eckpunkten des BMJ-Entwurfs zugestimmt. Daß de Maiziere nun die weiteren Beratungen aufhält, brachte ihm am Samstag von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Vorwurf der »Blockade« ein.
Die in der Nazizeit eingeführte Sicherungsverwahrung müßte längst abgeschafft sein. Sie führt dazu, daß ein Täter eine Doppelbestrafung erleidet, weil er nach vollständiger Verbüßung seiner Strafhaft weiterhin in Unfreiheit »verwahrt« bleibt, womöglich lebenslang.
Eine echte Reform plant die Bundesregierung nicht. Gestritten wird um die Einführung der Aufenthaltsüberwachung per Fußfessel und Satellitenortung.
Wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden voraussichtlich 80 Inhaftierte entlassen. Deren Verurteilungen ergingen zu einer Zeit, als die Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre begrenzt war. Diese Frist wurde vom Bundestag rückwirkend aufgehoben, so daß die Betroffenen darüber hinaus in Haft bleiben mußten. Darin sah der Gerichtshof einen Verstoß gegen den Grundsatz, daß Strafen nicht rückwirkend verschärft werden dürfen.
Wegen der anstehenden Freilassungen malte die CDU/CSU das Schreckgespenst drohender schwerer Straftaten an die Wand. In einem Fall mußte die Polizei allerdings einen der entlassenen Sicherungsverwahrten vor den aufgehetzten Bürgern schützen und nicht umgekehrt. Das BMJ hat nun als neue Überwachungsmaßnahme die von Fachleuten eher kritisch bewertete »elektronische Fußfessel« vorgesehen. Obwohl diese Maßnahme weitgehend in die Privatsphäre eingreift, wird sie von der CDU/CSU als völlig ungenügend kritisiert.
Skandalös ist in Wahrheit, daß seit Jahren für die Resozialisierung im »Verwahrvollzug« nichts getan wird. Das BMJ schlug nun vor, zum Übergang in die Freiheit den freiwilligen Aufenthalt in therapeutischen Wohngruppen zu ermöglichen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) reagierte am Samstag populistisch: »Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein. Ein nicht therapierbarer gefährlicher Gewaltverbrecher gehört hinter Schloß und Riegel.«
Die Union propagiert die sogenannte »Sicherungsunterbringung«. Mittels einer neuen Regelung sollen die nach dem Strasbourger Urteil freizulassenden Gefangenen doch wieder inhaftiert werden. Dies wäre jedoch als Umgehung der europäischen Rechtsprechung unzulässig.
Die Kampagne der CDU/CSU erklärt sich aus ihren Umfragetiefstwerten. Erst kürzlich warf CSU-Chef Horst Seehofer Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, die Union sei beliebig geworden. Rechts von der CSU dürfe kein Platz für eine andere Partei sein. Die CSU sei entschlossen, auf ihre konservative Wählerschicht zu achten. Dafür hält sie offenbar die Angstmache vor Straftaten für geeignet – und der »liberale« de Maizière macht mit.