Positionspapier Piratenpartei – eine Alternative?

Bürgerrechte

Die Piratenpartei verteidigt die Grundrechte und den Rechtsstaat gegen die Demontage durch Schäuble und Co. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden auch in der Bundesrepublik über 50 „Sicherheits“-Gesetze mit zum Teil weitreichenden Eingriffen in die Grund- und Bürgerrechte und die Privatsphäre erlassen. Diese betreffen unter anderem die Registrierung von Konto-, Reise-, und Telekommunikationsdaten, die Speicherung biometrischer Daten, die Schaffung neuer Datenbanken auf Bundes- und EU-Ebene, die immer weitere Verschmelzung von Polizei und Geheimdiensten und eine zunehmende Militarisierung der Innenpolitik. „Die Piratenpartei steht für Bürgerrechte, Freiheit und Demokratie. Sie verteidigt die Werte der Aufklärung und des Humanismus, die u.a. durch Internet-Zensur und Überwachungsstaat gefährdet sind“, heißt es in einer Stellungnahme des Vorstandes. Allerdings wird der Aufbau des Überwachungsstaats völlig losgelöst von politischen Entwicklungen wie Krise des Kapitalismus und Kriegseinsätzen der Bundeswehr gesehen. So erscheint der Überwachungswahn der Bundesregierung allein einer Paranoia zu entspringen und wird nicht etwa als Vorbereitung auf mögliche soziale Unruhen oder Widerstand gegen den Kriegskurs verstanden. Während DIE LINKE Krieg für die schlimmste Form der Einschränkung von Bürgerrechten hält, haben sich die PIRATEN dazu weder im Parteiprogramm noch in Wahlprogrammen verbindlich festgelegt. Ein ehemaliger Beisitzer im Vorstand trommelte auf seinem Blog allerdings für einen Krieg gegen Iran – und löste damit Widerspruch von Teilen der Mitgliedschaft aus. Auch zu Hartz IV findet sich nichts bei den PIRATEN, obwohl die Hartz-Gesetze erhebliche Eingriffe in die private Lebensweise bedeuten – incl. dem Zwang zur Offenlegung privater Verhältnisse.

Urheber- und Patentrecht:

Piratenparteien wollen Rechte an immateriellen Gütern reformieren, da in deren Austausch der eigentliche Wert liege. Im Programm heißt es: „Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheberrechts beschränken jedoch das Potential der aktuellen Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis von so genanntem ’geistigem Eigentum‘ basieren, welches der angestrebten Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegen steht. Deshalb tritt die Piratenpartei für eine Legalisierung der Privatkopie ein, auch weil es technisch gar nicht möglich ist, Privatkopien zu unterbinden. Dabei geht es ihr aber nicht darum, das Urheberrecht vollständig abzuschaffen.“ (Programm) Doch wie verträgt es sich damit, dass die Piraten in ihren „10 Thesen zur Netzpolitik“ pauschal fordern: „Alle Monopolrechte auf Immaterialgüter müssen auf den Prüfstand“? Als Linke teilen wir die Einschätzung, dass in allen geistigen Produkten neben individueller Kreativität auch gesellschaftliches Wissen einfließt. Das Netz als „unerschöpfliche Allmende“ zu bezeichnen, wie es die Piraten in ihren Thesen tun, idealisiert aber die realen kapitalistischen Bedingungen, unter denen das Netz ganz wesentlich entsteht. Richtig ist die Kritik an Monopolen der Großunternehmen etwa an Softwarepatenten. Doch die Piraten verkennen bei ihrer – absolut berechtigten – Kritik an diesen Monopolisten, dass heutzutage viele kleine Urheber (KünstlerInnen, AutorInnen, ÜbersetzerInnen) am Existenzminimum leben. Sie benötigen den Schutz durch das Urheberrecht, von den Piraten erhalten sie ihn aber nicht. Stattdessen nehmen sie einseitig den Standpunkt der KonsumentInnen ein.

Im Programm heißt es lediglich: „Anstatt den alten Geschäftsmodellen nachzutrauern und sie mit unzumutbaren Eingriffen in die Privatsphäre der Bürger künstlich am Leben erhalten zu wollen, fordern die PIRATEN dazu auf, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Diese Geschäftsmodelle sollen den Urhebern der digitalen Kulturgesellschaft ermöglichen, auf marktwirtschaftliche Art und Weise Erlöse aus der Verwertung ihrer Werke oder deren Umfeld zu erzielen, wenn sie dies anstreben.“ Das ist so allgemein und unverbindlich wie möglich, deutlich wird nur eins: Das Fehlen jeglicher nichtkapitalistischer Vision und ein ungebrochenes Vertrauen der angeblichen Piraten in das Verhandlungspotential der kapitalistischen Ökonomie. Wer trotzdem arm ist, hat eben nicht klug verhandelt – das bleibt das Fazit.

(Neo-)Liberalismus:

Zur Wirtschafts- und Sozialpolitik gibt es bislang keine Programmpunkte der Piratenpartei. An einer Stelle heißt es zwar, dass Straßen-, Schienen- und Stromnetze sowie Wasserwege als Infrastruktur in staatlicher Hand sein müssen. Doch ansonsten beziehen sich die Piraten in ihrem Programm mehrfach positiv auf die Marktwirtschaft (ohne das Attribut „sozial“). Und in den Online-Diskussionsforen der Piratenpartei zeigt sich eine vehemente Befürwortung neoliberaler Ökonomie durch viele Anhänger der Partei.

Offene Flanke nach rechts?

„Die Piratenpartei Deutschland wendet sich entschieden gegen Rechtsextremismus in all seinen Spielarten“, hat der Vorstand der Partei erklärt. Doch verschiedentlich sind Rechte und Neonazis auf den Piratenzug aufgesprungen. Der bekannteste Fall ist der Geschichtsrevisionist Bodo Th., der von der Piratenpartei in Rheinland-Pfalz 2009 zum Ersatzrichter gewählt wurde und auch einen Platz auf der Landesliste erhielt, obwohl er in der Vergangenheit den Holocaust in Frage gestellt hatte. Nach Bekanntwerden von Th. „fragwürdigen Äußerungen zum Holocaust“ (so der Parteivorstand) wurde in den Diskussionsforen der Piraten heftig gestritten. Befürworter und Gegner einer „Meinungsfreiheit“, die auch Holocaustleugnung- und –relativierung mit umfasst, hielten sich die Waage. Schließlich wurde Th. aller Parteiämter enthoben und ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Im September 2009 ließ sich der stellvertretende Vorsitzende der PIRATEN von der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit interviewen und offenbarte mit seiner anschließenden Entschuldigung vor allem seine Naivität. „Mir war die Zeitung überhaupt nicht bekannt, also dachte ich mir nichts dabei.“. Das generelle Problem bei der Piratenpartei besteht darin, dass hier Meinungsfreiheit völlig losgelöst von realen politischen Entwicklungen gesehen wird. So zog die Piratenpartei ihre Unterstützung für den Blockadeaufruf des Bündnis Dresden Nazifrei gegen den Naziaufmarsch vom 13. Februar 2010 wieder zurück. Sie unterstützte aber „alle Aktionen gegen Rechtsextremismus, die die Versammlungsfreiheit [der Nazis!] nicht behindern.“

DIE LINKE und die Piratenpartei:

Die Piratenpartei ist eine Ein-Punkt-Partei. Sie stellt allerdings wichtige zukunftsfähige gesellschaftliche Fragen, die durch die moderne Informationstechnologie aufgeworfen werden. Das allein reicht nicht aus, um an den zentralen Stellschrauben dieses Landes entscheidende Veränderungen vorzunehmen. Oder anders gesagt: Die Leute müssen auch essen. Vom Surfen im Netz allein wird niemand satt! DIE LINKE sieht daher in den PIRATEN einen Partner bei Bürgerrechtsbündnissen, z.B. bei der Vorbereitung der Demo „Freiheit statt Angst“ in Berlin am 11. September. Bei Wahlen ist sie ein Konkurrent, aber nur in Bereichen des Politikfeldes Internet hat sie auch inhaltliche Positionen. Für das wachsende Informationsproletariat, ob abhängig oder freiberuflich tätig, haben sie nichts anzubieten. DIE LINKE steht dagegen auch für eine Verbesserung der sozialen Lage der „Generation Internet“ für bessere Ausbildungs-, Einkommens-, Beschäftigungs- und Zukunftsbedingungen. Darüber hinaus bieten die programmatischen Aussagen DER LINKEN eine Gesamtschau, die Bürgerrechte mit sozialen Rechten, dem Schutz der Umwelt und der Ablehnung von Kriegseinsätzen der Bundeswehr verbindet. Wer dagegen der Piratenpartei seine Stimme gibt, wählt letztendlich die Katze im Sack, da niemand weiß, wie mögliche Mandatsträger der Piraten etwa im Fall von Kriegseinsätzen oder weiterem Sozialabbau abstimmen werden. Der Europaabgeordnete der schwedischen Piraten hat sich jedenfalls der Kriegsbefürwortenden Grünen-Fraktion im EU-Parlament angeschlossen.
Berlin, 30. 8. 2010