Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat erneut eine Maßnahme getroffen, mit der die von der Verfassung gebotene strikte Trennung von Polizei und Geheimdienst aufgehoben wird. Zwei dem Innenminister unterstellte Behörden haben dazu eine »Rahmenvereinbarung« abgeschlossen, nämlich das Bundeskriminalamt (BKA) und der Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz (VS). Ziel dieser Vereinbarung ist es, künftig verstärkt Mitarbeiter auszutauschen, um die »fachliche Kompetenz des Personals zu steigern«. Ferner heißt es in dem Papier, daß das nötige Verständnis für eine »reibungslose Zusammenarbeit« gefördert werden soll.
Das Austauschprogramm wird sich zunächst auf Führungskräfte beziehen. Später sollen auch Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes zwischen der Polizeibehörde und dem Verfassungsschutz für ein bis zwei Jahre die Dienststellen wechseln. Offenbar um juristischen Bedenken vorzubeugen, wurde festgelegt, daß Kriminalbeamte, die beim VS mitarbeiten, vom Legalitätsprinzip befreit werden, also von der Pflicht, bei Kenntnis von Straftaten Ermittlungen einzuleiten. Für die Geheimdienste gilt das Prinzip nämlich nicht. Umgekehrt sollen Schnüffler, die das Austauschprogramm beim BKA absolvieren, dort nicht mit polizeilichen Vollzugsaufgaben betraut werden.
Diese Einschränkungen sind aber nicht mehr als ein Feigenblatt, das den Grundfehler von de Maizières Vorhaben nicht verdecken kann. Es handelt sich einmal mehr um die Umgehung des Trennungsprinzips. Seit Jahren propagieren Innenpolitiker von CDU und CSU, daß es dabei ohnehin lediglich um eine rein organisatorische Trennung gehe.
Allerdings sagt das Grundgesetz, daß die Vermischung von Polizei- und Geheimdiensttätigkeiten wegen ihrer völlig verschiedenen Aufgaben und Befugnisse verfassungswidrig ist. Das wurde von einer Mehrheit in Bundestag und Bundesrat in den vergangenen Jahren mehrfach ignoriert, beispielsweise beim Abnicken der sogenannten »Otto-Kataloge«. Darin hatte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) unter anderem einen umfassenden Informationsaustausch zwischen Polizei und Geheimdiensten zur »Terrorismusabwehr« eingeführt.
In Berlin-Treptow wurde am 14. Dezember 2004 das »Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum« (GTAZ) in Betrieb genommen. Dort arbeiten unter Führung von Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz Mitarbeiter von vierzig Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern unmittelbar zusammen.
Dazu zählen der Bundesnachrichtendienst, die Kriminal- und Verfassungsschutzämter der Länder, die Bundespolizei, das Zollkriminalamt, der Militärische Abschirmdienst und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Generalbundesanwalt.
Der Trennungsgrundsatz wird somit seit langem unterlaufen. Das neue »Austauschprogramm« setzt diese Politik ungeniert fort. Sogar der Bund Deutscher Kriminalbeamter zeigte sich hierüber »irritiert«. Vorsitzender Klaus Jansen erklärte, es dränge sich der Eindruck auf, als solle so »durch die kalte Küche ein deutsches FBI installiert werden«.
Für die Linke stellte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau fest, daß auch Wolfgang Schäuble (CDU) und Schily dasselbe schon versucht und partiell praktiziert hätten. De Maizière reihe sich unrühmlich in die Reihe seiner Amtsvorgänger ein. »Gleichwohl bleibt die Trennung von Polizei und Geheimdiensten per Grundgesetz geboten«, so Pau. Folglich sei ein »brisanter Sicherheitsmix nach US-Vorbild« hierzulande verboten. Pau verlangte von de Maizière, »die Rahmenvereinbarung für eine engere Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und BKA zu stoppen«.
erschien in junge Welt 8.9.2010