Rede zu TOP 19 der 68. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages – Gesetz zur Anpassung des deutschen Rechts an die Verordnung (EG) Nr. 380/2008 vom 18. April 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehörige (Drucksache 17/3354)
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt die Bundesregierung eine geänderte Verordnung der Europäischen Union in deutsches Recht um, die die Einheitlichkeit der in der EU ausgegebenen Aufenthaltstitel sicherstellen soll. Es stellt sich hier schon grundsätzlich die Frage, wie sinnvoll das ist, denn nur eine kleine Gruppe von langfristig Aufenthaltsberechtigten kann sich innerhalb der EU frei bewegen und gerät so in Situationen, in denen die Aufenthaltsberechtigung nachgewiesen werden muss. Die Einheitlichkeit der Aufenthaltstitel ist also schon von vorneherein überflüssig.
Nun soll aber auch in diesem Bereich eine Tendenz fortgesetzt werden, die wir politisch falsch finden. Auch die in der EU lebenden Drittstaatenangehörigen sollen nun eine Art elektronischen Pass erhalten. Statt der bislang verwendeten einheitlichen Aufkleber in den Passpapieren, sollen diese Menschen nun eine Chipkarte erhalten, auf der alle möglichen Daten gespeichert werden. Dazu gehören neben den wichtigsten Identitätsmerkmalen wie Name und Geburtsdatum verpflichtend auch biometrische Daten – zwei Fingerabdrücke und ein Lichtbild. Außerdem, so die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf, sollen neue technische Standards den Schutz vor Fälschungen und Verfälschungen erhöhen. Damit soll auch zur Verhinderung und Bekämpfung illegaler Einwanderung beigetragen werden.
Der Schutz vor Fälschungen war schon ein Argument für die Einführung des elektronischen Personalausweises, den wir ebenfalls heute diskutieren. Wie auch beim Personalausweis ist auch bei den bisher in den Ausweisdokumenten von Ausländern verwendeten Klebeetiketten nicht bekannt, dass es hier zu Fälschungen und Verfälschungen in einer Aufsehen erregenden Zahl von Fällen gekommen wäre. Zudem birgt ein elektronischer Aufenthaltstitel genau wie der elektronische Personalausweis eine ganze Reihe neuer Gefahren: Daten können auch ohne unmittelbaren Kontakt ausgelesen und für Identitätsdiebstahl verwendet werden. Wieder einmal wird also ein ungewisser Zugewinn an Sicherheit mit einem unbestreitbaren Verlust an Sicherheit für den Einzelnen erkauft – ein höchst zweifelhaftes Geschäft.
Höchst zweifelhaft ist es meiner Ansicht nach auch, hier wieder einmal die ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland und der EU zum Versuchskaninchen für zukünftige politische Projekte zu machen. Derzeit ist die Abgabe der Fingerabdrücke für den neuen Personalausweis ja noch optional, während Nichtdeutsche nun hierzu gezwungen werden sollen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass auch hier in wenigen Jahren eine Wendung vollzogen wird nach dem Motto: jetzt haben wir für eine Bevölkerungsgruppe schon einmal die Erfassung der biometrischen Daten eingeführt, jetzt machen wir es einfach für alle. Und es gehört nicht viel Fantasie dazu, dass bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit dann auch die zentrale Erfassung dieser biometrischen Daten gefordert wird. Ich erinnere nur an den ehemaligen Innenminister Schäuble, der 2007 bei der Einführung des elektronischen Reisepasses gefordert hatte, die erhobenen Fingerabdrücke mindestens bei den Meldebehörden zu speichern. Auch die EU-Kommission hat in der Vergangenheit schon mit Plänen für Aufsehen gesorgt, zentrale europäische Fingerabdruckdatenbanken einzurichten. Hier gilt der alte Lehrsatz: wenn einmal Daten erhoben werden, dann werden auch neue Begehrlichkeiten geweckt.
Lassen Sie mich am Schluss noch auf einen Aspekt ganz kurz eingehen: die Kosten und der Verwaltungsaufwand für die Kommunen. Zunächst kommen hohe Gebühren auf die Drittstaatsangehörigen zu, wenn sie die neue Karte beantragen und bei jeder Gelegenheit, wenn sich ihr Aufenthaltsstatus ändert – dann müssen sie nämlich jedes Mal einen neuen elektronischen Aufenthaltstitel beantragen. Für eine Aufenthaltserlaubnis werden dann 180 statt bislang 130 Euro fällig, für eine Niederlassungserlaubnis 250 statt 200 Euro. Statt wie bislang einer Vorsprache des Familienvorstands bei der Ausländerbehörde müssen demnächst alle Familienmitglieder vorsprechen, und das aus technischen Gründen gleich mehrfach. Die hohen Gebühren decken aus diesen Gründennach Ansicht der Kommunen bei weitem nicht ihre Kosten. Mit dem elektronischen Aufenthaltstitel sind auch neue Arbeitsabläufe in den kommunalen Ausländerbehörden verbunden, die Ausgabe der neuen Titel wird zunächst zu einem starken Anstieg der Verwaltungskosten führen. Die Stadt Köln allein rechnet mit einem Mehraufwand von 1,25 Millionen Euro im ersten Jahr nach Einführung. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung heißt es dazu lapidar, diese Aufwendungen könnten derzeit noch nicht beziffert werden.
Zusammengefasst: dieses Vorhaben ist nicht nur komplett überflüssig, was die Verbesserung der Sicherheit und den vermeintlichen Schutz vor illegaler Einwanderung betrifft. Er ist auch ein weiterer Meilenstein in der fortschreitenden biometrischen Erfassung der Bevölkerung, Ausländer dienen als Versuchskaninchen. Die Kosten für diesen politischen Irrsinn werden auf die Betroffenen und die Kommunen abgewälzt.
(Rede wurde zu Protokoll gegeben.)