Prügel durch einen Beamten der französischen Polizeispezialeinheit CRS für Atomkraftgegner in Deutschland – geht es nach der Bundesregierung, dann wird dieser Vorfall während des Castortransports Anfang November im Wendland wohl kein Einzelfall bleiben. »Der Einsatz von deutschen Polizeikräften auf ausländischem Staatsgebiet – als auch der Einsatz von ausländischen Polizeibeamten in Deutschland – ist gängige Praxis und hat sich bewährt«, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (Bundestagsdrucksache 17/4091) zum Vorgehen eines französischen Polizisten während des Castortransports. Dabei seien die Polizeibeamten regelmäßig auch mit exekutiven Befugnissen ausgestattet, wie es der Prümer Vertrag über grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit in Artikel 24 zuläßt.
Während ein CRS-Beamter unbewaffnet und ohne Uniform während des Einsatzes in einer stationären Befehlsstelle der Bundespolizei verbrachte, gehörte ein uniformierter CRS-Beamter als »Einsatzbeobachter« einer Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft der Bundespolizei an. Dieser von der Bundesregierung als »erfahrener Angehöriger« der CRS bezeichnete und fließend deutsch sprechende Beamte war mit seiner eigenen 9mm-Sig-Sauer-Pistole sowie Handschuhen mit Protektoren ausgestattet und hatte zusätzlich von der Bundespolizei einen ausziehbaren Schlagstock erhalten. Dies sei durch Artikel 28 des Prümer Vertrages über das Mitführen »aufgabenspezifischer Ausrüstung« gedeckt, so die Regierung. Zweck der Einsatzbeobachtung als »integrierter Bestandteil einer operativen Einheit« sei das »Sammeln von taktischen Erfahrungen bei der Bewältigung herausragender Einsatzlagen«. Dazu gehört offensichtlich auch das Prügeln gegen friedliche Gleisblockierer und »Schotterer«.
80 Polizisten habe eine »bis dahin noch nie bei Demonstrationen wahrgenommene, zahlenmäßig nicht kontrollierbare Gruppe von Protestteilnehmern (ca. 1000)« gegenübergestanden. Diese hätten »ständig Straftaten gegen Gleiswerke beabsichtigt und durchgeführt (Unterhöhlung der Gleis¬anlange)«, heißt es in der Antwort weiter, und seien »hoch aggressiv massiv mit körperlicher Gewalt gegen Polizeikräfte« vorgegangen. Angesichts dieser »Notsituation« habe die Polizei kurzfristige Maßnahmen treffen müssen, in die der französische Kollege integriert gewesen sei. Fotos und Filmaufnahmen des Einsatzes zeigen freilich keineswegs eine solche »Notsituation«. Vielmehr ging insbesondere der CRS-Beamte mit ausgesprochener Härte gegen offensichtlich friedliche Demonstranten vor. Neben Franzosen waren auch zwei niederländische und im Rahmen eines Lehrgangs der Bundespolizei je ein russischer und ein türkischer Beamter als »Einsatzbeobachter« vor Ort. Weitere ausländische Beobachter waren als Gäste der niedersächsischen Polizei anwesend.
Bei der französischen CRS (Compagnies Républicaines de Sécurité) handelt es sich um eine kasernierte Spezialpolizei, die bevorzugt zur Niederschlagung von Unruhen eingesetzt wird. 1977 wurde bei einem Einsatz der CRS gegen Atomkraftgegner in Frankreich ein Demonstrant durch sogenannte Blendgranaten getötet, über hundert weitere wurden zum Teil schwer verletzt.
erschien in Junge Welt 20.12.2010