Erklärung des Länderrates der Antikapitalistischen Linken (AKL) zur Kommunismus-Debatte
Er könne nicht umhin „in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche.“ Dies erklärte der Schriftsteller Thomas Mann – keineswegs ein Vorkämpfer des Kommunismus – in der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges.
Angesichts der weltweiten Krise des kapitalistischen System, von Millionen Hungertoten und Armutsflüchtlingen, von Kriegen und Genoziden, von Umweltzerstörung, von Massenarmut und Erwerbslosigkeit auch in den reichen Industrieländern ist die Suche nach einer menschenfreundlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht nur legitim sondern zwingend notwendig.
Wir lassen uns dieses Nachdenken und Diskutieren über Wege aus dem Kapitalismus nicht verbieten – weder durch Überwachungs- und Verbotsdrohungen wildgewordener CSU-Rabauken aus Wildbad Kreuth, noch durch die monopolistischen Meinungsmacher von SPIEGEL, Springer & Co.
Wir lassen uns das Benennen von Alternativen zum Kapitalismus aber auch nicht verbieten von Genossinnen und Genossen aus der eigenen Partei, die hier unserer Meinung nach aus Opportunität oder Ängstlichkeit einen unnötigen Kotau vor der veröffentlichten Meinung in den Mainstream-Medien machen.
Entschieden weisen wir die Versuche von einigen Mitgliedern der Partei DIE LINKE zurück, mit Hilfe der allein den Kapitalinteressen verpflichteten Medien Stimmung gegen die Parteivorsitzende zu machen. Wenn Gesine Lötzsch „Wege zum Kommunismus“ sucht, stehen wir an ihrer Seite. Denn auch wir teilen das Ziel einer Gesellschaft von freien Menschen, einer Welt ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, ohne Kriege, politische und kulturelle Unfreiheit, ohne sexuelle oder rassistische Unterdrückung.
Und wir sind nicht bereit, aufgrund von im Namen des Kommunismus begangenen Irrwegen, Fehlern und auch Verbrechen auf den Begriff des Kommunismus zu verzichten. Das schulden wir nicht zuletzt den vielen Kommunistinnen und Kommunisten, die selber Opfer von Willkürmaßnahmen im Namen des Kommunismus wurden, aber trotz alledem an der kommunistischen Idee festhielten. Mit Gesine Lötzsch teilen wir daher die Kritik: „Gregor Gysi hat aber nicht recht, wenn er meint, daß man den Begriff des Kommunismus nicht mehr verwenden darf.“
Wir erinnern daran, dass die Partei DIE LINKE eine Kommunistische Plattform anerkennt, deren Mitglieder seit Jahren solidarisch in den Gremien mitarbeiten. Wir erinnern auch daran, dass sich 16 der 35 als Mitglieder oder Beobachter zusammen mit der Partei DIE LINKE in der Europäischen Linken (EL) organisierten Parteien als kommunistisch bezeichnen.
Zu keinem Zeitpunkt stand es zur Debatte, aus der Partei DIE LINKE eine kommunistische Partei zu machen. Zu keinem Zeitpunkt wurde über den Kommunismus als verbindliches Endziel aller Mitglieder der Partei DIE LINKE diskutiert. Eine solche Debatte entspricht nicht den Realitäten. Sie ist künstlich von der Presse entfacht.
Wir stehen für eine plurale Partei DIE LINKE, in der demokratische, ökologische, feministische und christliche Sozialistinnen und Sozialisten ebenso ihren Platz haben wie erklärte Marxistinnen und Marxisten, Kommunistinnen und Kommunisten. Diese Breite an sozialistischen und kommunistischen Auffassungen gab es seit Gründung der PDS. Mit der Bildung der Partei DIE LINKE ist dieses Spektrum sogar größer und nicht enger geworden. Dies sehen wir ausdrücklich als eine Stärke. Denn einig sind wir uns über alle Strömungen hinweg in der Ablehnung des bestehenden neoliberalen Kapitalismus. Und um diesen zu überwinden brauchen wir die größtmögliche Einheit.
Jetzt geht es darum, uns für die anstehenden Wahlkämpfe auf Forderungen zu einigen, die die unmittelbaren sozialen und demokratischen Interessen der Lohnabhängigen und aller unter dem Neoliberalismus leidenden Menschen in Worte fassen. Wir müssen dabei deutlich machen, wo für die Partei DIE LINKE die roten Linien verlaufen: Mit uns wird es keine Kriegseinsätze geben, keine Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst, keine weiteren Privatisierungen öffentlichen Eigentums.
In der Programmdebatte innerhalb der Partei DIE LINKE geht es darum, mittel- und langfristige Forderungen zu formulieren, die den Weg in eine solidarische, ökologische und feministische Gesellschaft weisen. Wir können eine solche Gesellschaft, in der die Schlüsselindustrie und die Banken unter demokratischer Kontrolle vergesellschaftet nicht mehr dem Profitprinzip, sondern dem Wohl aller Menschen dienen als demokratischen Sozialismus bezeichnen.
Dafür gäbe es übrigens heute schon gesellschaftliche Mehrheiten. Konstant steigt seit 1990 die Zahl derjenigen, die in Umfragen erklären, Sozialismus sei eine gute Idee, die bislang leider schlecht ausgeführt wurde. Zur Zeit sind es rund drei Viertel der Ostdeutschen und fast die Hälfte der Westdeutschen. In einer Emnid-Umfrage hatten sich im vergangenen Jahr 72 Prozent der Westdeutschen und 80 Prozent der Ostdeutschen für das Leben in einem sozialistischen Staat ausgesprochen, wenn für Arbeitsplätze, Solidarität und Sicherheit gesorgt wäre – wenn also der Sozialismus seinen eigenen Ansprüchen genügen würde.
Einige von uns sehen auch in einem demokratischen Sozialismus noch nicht das Ende der Geschichte. Sie werden dabei von der marxistischen Geschichtsphilosophie oder von humanistischen Idealen geleitet. Einige von uns bezeichnen eine solche erstrebte klassenlose und ausbeutungsfreie Gesellschaftsordnung in der Tradition der Autoren des Kommunistischen Manifests, Karl Marx und Friedrich Engels, als Kommunismus.
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