Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Entschädigungsleistungen für Opfer der
Zwangssterilisierung und der „Euthanasie“ in
der Zeit des Nationalsozialismus
– Drucksache 17/4543 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die sogenannte
Euthanasie war ab 1934 eines der ersten furchtbaren
Vernichtungsprogramme der Nazis. Hunderttausende
Menschen wurden zwangsweise sterilisiert. Viele
starben dabei. Über 200 000 Menschen wurden im Rahmen
der „Euthanasie“-Maßnahmen ermordet. Vernichtung
angeblich lebensunwerten Lebens – schon dieser
Begriff ist so ungeheuerlich, dass einem beinahe die
Sprache fehlt.
Natürlich stimmt die Linke heute dafür, die Opferrente
für Zwangssterilisierte von 120 auf 291 Euro zu erhöhen
und diese Regelung auf die Opfer von „Euthanasie“-
Maßnahmen auszudehnen. Das ist das Mindeste,
was wir für die Überlebenden bzw. Angehörigen tun
können.
(Beifall bei der LINKEN)
Es hat viel zu lange gedauert, bis das Erbgesundheitsgesetz
hierzulande als NS-Unrecht erkannt worden ist.
Die Opfer wurden nicht als NS-Verfolgte anerkannt, und
sie erhielten – dies ist übrigens bis heute so – keine Leistungen
nach dem Bundesentschädigungsgesetz, weil dieses
Gesetz eine Frist enthielt, die längst abgelaufen ist.
Erst seit Ende der 90er-Jahre erhalten die Betroffenen
kleine Opferrenten. Für SS-Mitglieder und Nazibeamte
wurden solche Befristungen im Übrigen nie eingeführt.
Auch das ist ein Unrecht, das benannt werden muss.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Vorstellung, es gebe Menschen, die ein größeres
Recht auf ein menschenwürdiges Leben haben als andere,
ist auch heute leider nicht überwunden. Ich will nur
daran erinnern, dass der CDU-Abgeordnete Philipp
Mißfelder hier vor einigen Jahren die Auffassung vertreten
hat, dass alten Menschen keine künstlichen Hüftgelenke
mehr zu gewähren seien. Gesundheitspolitik nach
dem Geldbeutel ist leider auch die Linie dieser Bundesregierung.
Ausreichende medizinische Versorgung nur
noch für jene, die über entsprechende Einkommen verfügen
und die ihre Versorgung privat finanzieren können –
das ist weit entfernt von dem, wozu die NS-Verbrechen
mahnen, nämlich zu einer Gesundheitsversorgung, die
sich eben nicht an Nützlichkeit, sondern an Menschlichkeit
orientiert.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist sehr bedauerlich – ich finde es gerade am heutigen
Gedenktag sehr beschämend –, dass alle Fraktionen
dieses Hauses die Linke bei der Einreichung dieses Antrags
wiederum ausgegrenzt haben. Gerade die Linke hat
sich in den vergangenen Jahren immer auf die Seite der
NS-Opfer gestellt, und viele meiner Kolleginnen und
Kollegen haben frühzeitig und seit Jahren immer wieder
– ich selber übrigens auch – für die Entschädigung der
Zwangsarbeiter, aber auch anderer Opfer gekämpft.
(Beifall bei der LINKEN)
Gerade deswegen wäre es an dem heutigen Tag sinnvoll
gewesen, ein Zeichen des gesamten Hauses zu setzen
und, liebe Kollegin, eben nicht mit Ausgrenzung zu arbeiten.
Sie haben es ja eben selbst moniert.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will zum Schluss sehr deutlich machen, dass es
immer noch viele NS-Opfer gibt, die bis heute nicht entschädigt
worden sind. Ich will an die Massaker der SS
und der Wehrmacht, beispielsweise in Distomo in Griechenland,
erinnern. Auch die italienischen Militärinternierten,
die Zwangsarbeit für die Nazis und die Rüstungsindustrie
leisten mussten, sind bis heute nicht entschädigt
worden.
Ich denke, es ist eine zynische Missachtung, dass man
aufgrund des häufig öffentlichen Drucks immer wieder
Gruppen herausgegriffen und in Entschädigungsrechte
einbezogen, aber andere immer wieder ausgegrenzt hat.
Deswegen sage ich für meine Fraktion: Hören Sie auf,
die Opfergruppen zu spalten, und geben Sie den Opfern
das, was für ihre Anerkennung und Entschädigung notwendig
ist. Dazu gehört eben nicht Ausgrenzung. Alle
müssen einbezogen werden.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)