Vergangene Woche hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für die Errichtung einer »Visa-Warndatei« beschlossen, der in Kürze in den Bundestag eingebracht wird. Die Union will schon seit dem Visaskandal 2004 eine solche Datei, um den vermeintlichen Mißbrauch von Einreiseerlaubnissen zu bekämpfen – durch umfassende Speicherung der Daten aus dem Visumverfahren.
So, wie ursprünglich geplant, konnte die Union ihr Vorhaben allerdings nicht durchsetzen. Sämtliche Antragsteller, Einlader und Bürgen sollten in einer Datei erfaßt werden, um sogenannte »Vieleinlader« zu identifizieren. Die Union stellt sich darunter Familien mit Migrationshintergrund vor, die zahlreiche Verwandte und Freunde aus ihren Herkunftsstaaten einladen, die wiederum ihre Visa »mißbrauchen«, um dauerhaft ohne Aufenthaltstitel in Deutschland zu bleiben. Drei andere Vieleinlader meldeten daraufhin heftigen Widerspruch an: Sportvereine, Kirchen und Wirtschaftsunternehmen, die regelmäßig Gruppen von Besuchern nach Deutschland zur Kontaktpflege einladen und damit automatisch in der Datei gelandet wären. Auch in einem zweiten Punkt mußte die Union zurückstecken: Sie wollte auch abgelehnte Asylbewerber speichern.
Nun sollen in der »Visa-Warndatei« Informationen gespeichert werden, die zum Teil schon an anderer Stelle erfaßt sind: Aus dem Bundeszentralregister werden die Daten von Personen übernommen, die wegen Straftaten mit Auslandsbezug zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden sind (illegale Einreise, erwerbsmäßige Schleusung, Drogenschmuggel, Menschenhandel etc.). Im Visa-Informationssystem (VIS), das voraussichtlich im Sommer online gehen wird, sind bereits die Daten jener Antragstellern gespeichert, deren Ersuchen abgelehnt wurde, weil sie im Visumverfahren getäuscht haben. Auf der Ebene der kommunalen Ausländerbehörden sind schon jene Menschen erfaßt, die als Einlader, Bürgen oder »relevante Personen« (weil sie z.B. den Einladungszweck bestätigt haben) falsche Angaben gemacht haben oder Verpflichtungen im Rahmen des Visumverfahrens nicht nachgekommen sind. Zukünftig sollen die Daten von Antragstellern und Einladern mit denen aus der »Antiterrordatei« von Bund und Ländern abgeglichen werden – im Fall eines Treffers wird geprüft, ob Sicherheitsbedenken gegen eine Einreise bestehen. Dieses Verfahren wird für alle Staaten angewendet, bei denen nicht ohnehin das »Konsultationsverfahren« gilt: Vor allem bei muslimisch geprägten Herkunftsländern müssen die Ausländerbehörden die Daten von Antragstellern und Einladern an Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt weitergeben, bevor ein Visum erteilt wird.
Schon aufgrund der bisherigen Überwachung fehlt ein Nachweis, daß die neue Datei wirklich benötigt wird. Über das tatsächliche Ausmaß des sogenannten Visamißbrauchs ist so gut wie nichts bekannt. Doch auch für dieses Problem ist eine Datei in Vorbereitung: Ab 2012 will die EU-Kommission ein elektronisches Ein- und Ausreisesystem installieren. Es soll Alarm auslösen, wenn eine Person nach Ablauf ihres Visums noch nicht als ausgereist gemeldet ist.