Die Festnahme mutmaßlicher Al-Qaida-Mitglieder in Düsseldorf am 29. April wird vom Bundesinnenminister als wichtiger Erfolg im Kampf gegen Terror bezeichnet und zugleich als Nachweis, wie effektiv und unverzichtbar die Antiterrorgesetze seien. Ohne Online-Durchsuchung, »Quellen-TKÜ«, also Telekommunikationsüberwachung, und die Erfassung von Flugpassagierdaten hätten die Düsseldorfer nicht festgenommen werden können, hieß es. »Wir müssen unsere bisherigen Antiterrorgesetze nicht nur beibehalten, sondern wo erforderlich auch ergänzen«, forderte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Hans-Peter Uhl (CSU) umgehend. Gefordert wird unter anderem, daß die Geheimdienste Angaben zu Flugreisen und Kontobewegungen nicht mehr einzeln bei Flugunternehmen abfragen müssen, sondern direkt von einer zentralen Datei herunterladen können. Doch die Darstellungen darüber, was die »Düsseldorfer Zelle« eigentlich gemacht haben soll und welche Ermittlungsmethoden konkret zur Festnahme geführt haben, sind höchst undurchsichtig.
Eine erste Falschmeldung, mit der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Stimmung für neue Überwachungsgesetze machen wollte, ist mittlerweile schon aufgeflogen: Friedrich hatte gesagt, erste Hinweise seien von den Amerikanern gekommen, die wegen des auffälligen Reiseverhaltens der Verdächtigen auf sie aufmerksam wurden. Die Auswertung der Flugpassagierdaten sei »ein wichtiges Element für diesen Fahndungserfolg gewesen«, so Friedrich am 6. Mai in der Rheinischen Post. Die Behauptung hatte etliche Fragen aufgeworfen, werden solche Daten doch bislang – offiziell – nur bei Reisen in die USA an die Sicherheitsbehörden geleitet. Der mutmaßliche Kopf der Düsseldorfer Zelle war aber nur nach Marokko gereist. Der Spiegel entlarvt Friedrichs Propagandatrick: Die US-Regierung habe den Fall lediglich als Beispiel angeführt, bei dem Passagierdaten zur Aufklärung hätten führen können – im Konjunktiv.
Das BKA überwachte die verdächtigen Männer mit einem Aufgebot von 65 Beamten mindestens sechs Monate lang. Dabei kam nicht nur das bisher schon zur Verfügung stehende Repertoire an Observations- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz, sondern erstmals auch die »Online-Durchsuchung« und die »Quellen-TKÜ«. Die Meldungen dazu sind widersprüchlich: Einerseits berichtet die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf BKA-Chef Jörg Ziercke, die drei seien hoch konspirativ vorgegangen, der Laptop in der Wohnung des mutmaßlichen Anführers sei gar nicht im Internet gewesen, andererseits kann ein Computer, der nicht online ist, logischerweise nicht Gegenstand einer Online-Durchsuchung sein.
Bei der Wahl des Anschlagsziels scheint es auch lediglich erste Überlegungen, aber keinen echten Plan gegeben zu haben, weder für den Ort noch die Zeit. Der stellvertretende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum sagte auf einer Pressekonferenz nach den Festnahmen, die Verdächtigen seien »noch in der Experimentierphase« gewesen. Dennoch schlug das BKA zu, weil es nach den Anschlägen von Marrakesch eine Euphorisierung der Gruppe fürchtete: »Marrakesch hätte ein stimulierendes Ereignis sein können«, orakelte BKA-Chef Jörg Ziercke (Spiegel, 1. Mai) – obwohl bei den Verdächtigen noch nicht einmal fertiger Sprengstoff gefunden wurde, sondern lediglich Behälter, in denen »möglicherweise« der Sprengstoff irgendwann hätte gelagert werden sollen. Zugleich versicherte Ziercke, eigentlich hätte er die Observation der Gruppe gerne fortgeführt, um weitere Mitglieder festzustellen.
Erste Hinweise auf die Gruppe kamen von der CIA, nach Presseberichten hat auch der marokkanische Geheimdienst zugearbeitet (der Hauptverdächtige ist Marokkaner und hielt sich während des fraglichen Zeitraums mehrere Wochen in Marokko auf).
Es gibt eine Reihe von Ungereimtheiten in der öffentlichen Darstellung der Ermittlungsarbeit der Polizei, die den Verdacht nahelegen, der Fall solle bewußt für die Verlängerung oder gar Ausweitung von Befugnissen im »Antiterrorkampf« instrumentalisiert werden. Denn man kann durchaus zu dem Eindruck gelangen, daß das klassische Observationsinstrumentarium einschließlich des »Großen Lauschangriffs« vollkommen ausgereicht hätte.
Ebenfalls auf Angaben des Spiegel geht zurück, daß erst spät durch die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde – die Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ dürfen nämlich nur zur Gefahrenabwehr, nicht aber für die Strafermittlung verwendet werden. Das ist freilich nur die Theorie – in der Realität sind in diesem Fall die präventiven Maßnahmen des BKA zeitgleich mit der Ermittlungsarbeit der Bundesanwaltschaft betrieben worden.