Verschärft wurde diese Debatte durch die am Mittwoch angekündigte Wiedereinführung permanenter Grenzkontrollen durch Dänemark. Zudem hatten die Regierungen Italiens und Frankreichs unter Verweis auf nordafrikanische Flüchtlinge eine Neuregelung in der von 25 Staaten gebildeten Schengen-Zone gefordert.
Die EU-Kommission hatte in der vergangenen Woche Vorschläge angekündigt, wie zukünftig vorübergehende Grenzkontrollen in Ausnahmesituationen wie etwa einer Einwanderungswelle erlaubt werden können. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström verlangt aber eine Entscheidung auf »europäischer Ebene«. Von der EU-Innenministerkonferenz erwartet Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zwar die Festlegung genauerer Kriterien für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Ausnahmefällen. Doch gleichzeitig besteht die Bundesregierung auf ihrer Entscheidungshoheit über mögliche Kontrollen der deutschen Außengrenzen. Jedes Land sei in der »nationalen Verantwortung« für die »Sicherheit seiner Bürger« zu sorgen, so Friedrich.
Die dänische Minderheitsregierung aus Konservativen und Rechtsliberalen hatte sich mit der rechtspopulistischen Volkspartei geeinigt, an den Grenzen zu Deutschland und Schweden Ein- und Ausreisende wieder zu kontrollieren. Die fremdenfeindlichen Rechtspopulisten wollen im Gegenzug zur Wiedereinführung der Grenzkontrollen einer Erhöhung des Rentenalters zustimmen. Der dänische Finanzminister Claus Hjort Frederiksen rechtfertigte die bereits in den nächsten Wochen anlaufende Maßnahme mit der »zunehmenden grenzüberschreitenden Kriminalität«. So sollen zwar Zollhäuschen, aber keine Schlagbäume aufgebaut oder Paßkontrollen durchgeführt werden.
Die Bundesregierung sieht zwar »Klärungsbedarf« bei den dänischen Plänen. Eine scharfe Zurückweisung dieses Schrittes zur einseitigen Aussetzung eines zentralen Bestandteils des Schengener Abkommens blieb dagegen aus. Während Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) von einer »problematischen Entwicklung« sprach, die »eine der Errungenschaften der Europäischen Union« rückgängig machte, äußerte der Bundesinnenminister ein gewisses Verständnis. Temporäre Grenzkontrollen sollten »der Lage angepaßt und mit Augenmaß an den Schengen-Binnengrenzen möglich« sein, erklärte er gegenüber der Tageszeitung Die Welt. »Es sollte künftig möglich sein, auf außergewöhnlichen Migrationsdruck flexibel reagieren zu können.« Friedrich wandte sich gleichzeitig gegen eine EU-weite Verteilung von Flüchtlingen. Jeder Mitgliedsstaat müsse selber entscheiden, wie viele Flüchtlinge er aufnehmen will.
Der Bundesinnenminister rede »Rechtspopulisten das Wort«, kritisierte die Linksfraktion im Bundestag und forderte eine klare Distanzierung Friedrichs vom dänischen Angriff auf die Reisefreiheit in Europa. Der auch von dem CSU-Politiker behauptete »Migrationsdruck« sei angesichts von 24000 in den letzten Monaten nach Italien gelangten tunesischen Flüchtlingen gegenüber 400 Millionen im Schengen-Raum lebenden Menschen »blanker Unsinn«.
»Der Alltag der Menschen im Grenzgebiet wird erschwert, um einer politisch geschürten Angst vor Kriminellen gerecht zu werden«, kritisierten der Südschleswigsche Wählerverband und die Schleswigsche Partei als Vertretung der dänischen Minderheit in Deutschland den Beschluß der dänischen Regierung.