Bei ihrer Frühjahrskonferenz am Dienstag und Mittwoch in Frankfurt/M. wollen sich die Innenminister von Bund und Ländern wieder einmal mit einem etwaigen Verbotsverfahren gegen die NPD befassen oder zumindest Möglichkeiten prüfen, wie man die Neonazis von der staatlichen Parteienfinanzierung ausschließen könnte. Es ist zu befürchten, daß bei den Beratungen wie schon in der Vergangenheit wieder einmal nichts herauskommen wird. Nun rächt sich, daß im Bundestag immer wieder die von der Linken geforderte Antifaschismusklausel im Grundgesetz abgelehnt worden ist; eine solche Verfassungsbestimmung würde es den Behörden erleichtern, gegen den rechten Rand vorzugehen.
Statt dessen ist zu befürchten, daß die Innenminister das Thema Rechtsextremismus umfunktionieren und die von der Bundesregierung geführte Extremismus-Debatte fortsetzen, um sie gegen die politische Linke zu wenden. Es ist eine Zumutung der Bundesregierung, von zivilgesellschaftlichen Gruppen staatliche Zuschüsse im Rahmen des »Bundesprogramms gegen Rechtextremismus« davon abhängig zu machen, daß diese überprüfen, ob ihre Partnerorganisationen verfaßungstreu seien. Die damit vorgenommene Gleichsetzung von Linken mit Rechtsextremisten ist ahistorisch und wissenschaftlich unhaltbar. Die Themenliste der IMK läßt erahnen, daß dort in derselben undifferenzierten Weise diskutiert werden wird.
Im Vorfeld der Tagung hat der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) nämlich bereits vor einer Rückkehr des Linksterrorismus in Deutschland, vergleichbar mit der RAF gewarnt. »Wir haben bundesweit einen enormen Anstieg linksextremistischer Gewalt, im ersten Quartal um fast 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr«, erklärte der als Hardliner bekannte Schünemann in Bild am Sonntag. Autonome Linksextremisten nähmen in Kauf, daß bei ihren Anschlägen Menschen ums Leben kämen. Schünemann kündigte an: »Ich werde die Gefahr eines Linksterrorismus zu einem der Schwerpunktthemen bei der Innenministerkonferenz machen.«
Die CDU kann im Bereich der Sicherheitspolitik mit der Schützenhilfe der sozialdemokratischen Innenminister rechnen. Denn die SPD dient sich seit Monaten gerade in der Innenpolitik der CDU/CSU als zuverlässiger Partner für eine konservative Law-and-Order-Linie an. Da sich die IMK mit der Evaluierung der Sicherheitsgesetze (»Otto-Kataloge« – so genannt nach dem ehemaligen Innenminister Otto Schily) befassen wird, ist anzunehmen, daß die SPD ihr Angebot wiederholen wird, diese Pro-Geheimdienste-Regelungen zu verlängern.
In der Bundesregierung herrscht hierüber wegen des – zur Zeit noch – anhaltenden Widerstands der FDP Streit. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wird sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, mit Hilfe der SPD bei der IMK den Druck auf Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu erhöhen, so daß am Ende die Liberalen bei diesem Thema vermutlich einlenken werden. Die CDU/CSU hat der Justizministerin schon empfohlen, ihre »grundrechtlichen Phantomschmerzen« sein zu lassen; andernfalls würde Deutschland zu einem »Rückzugsraum für Terroristen«.
Ähnlich verläuft die Debatte bei einem weiteren Tagesordnungspunkt der IMK, der Vorratsdatenspeicherung. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht das diesbezügliche Gesetz von CDU/CSU und SPD am 2. März 2010 gekippt. Aber bei der IMK wird sich wieder eine informelle große Koalition bilden, die eine Neuauflage verlangen wird, damit künftig die Telekommunikationsdaten von Millionen unverdächtiger Bürgerinnen und Bürger anlaßlos gespeichert werden.
Weitere Themen sind die europäische »Grenzagentur« FRONTEX, der »Nationale Cyber-Sicherheitsrat«, die Bearbeitungsdauer von Asylverfahren, die Ausweitung der Rückführungen in den Irak und die Kostenverteilung bei Resettlementverfahren (Ansiedlung von Flüchtlingen). Bereits am heutigen Montag beginnen Protestaktionen gegen die IMK unter dem Motto »Wir kommen, um zu stören«. Dabei stehen das Abschieberegime und die Abschottungspolitik der Bundesregierung im Vordergrund.