Dabei nutzen die Polizeibehörden nicht nur offen zugängliche Informationen, sondern setzten auch »virtuelle« verdeckte Ermittler ein. Innerhalb der vergangenen 24 Monate kamen demnach in sechs Ermittlungsverfahren solche virtuellen Agenten des BKA zum Einsatz. Zwar dürfen diese online keine milieubedingten Straftaten begehen, wie die Bundesregierung bestätigt. Doch ob sie niemals zu Straftaten aufgerufen, Texte mit strafbarem Inhalt verfaßt oder Dateien mit strafbarem Inhalt weitergegeben haben, will die Bundesregierung nicht sagen. Denn eine Beantwortung dieser Frage würde die Bekämpfung schwerer Kriminalität und damit »das Staatswohl« erheblich beeinträchtigen, so die Regierung. Die Antwort sei daher als »Verschlußsache – Vertraulich« bei der Geheimschutzstelle des Bundestages hinterlegt.
In vier Fällen hat sich das BKA »zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person« bislang von den Anbietern sozialer Netzwerke Zugang zu nichtöffentlichen Bestands- und Inhaltsdaten von Nutzern verschaffen lassen. Es habe sich dabei um eine Suizidankündigung, Morddrohungen sowie Erpressung und die Androhung einer Sprengstoffexplosion gehandelt.
Wenn das BKA gezielt personenbezogene Daten zusammenträgt und auswertet oder mit anderen Informationen abgleicht, dann greift das nach Ansicht der Bundesregierung durchaus in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Doch verfüge das Bundeskriminalamt dafür mit dem BKA-Gesetz über die nötige gesetzliche Grundlage. Demnach dürften Beamte der Behörde »unter einer Legende an der Kommunikation in sozialen Netzwerken teilnehmen«. Mit dieser Begründung werden die virtuellen verdeckten Ermittler legitimiert.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hatte in seinem Tätigkeitsbericht für die Jahre 2009 und 2010 aufgrund einer »Rechtsunsicherheit, in welchem Stadium der polizeilichen Recherchen im Internet von einem Eingriff in Grundrechte auszugehen ist«, eine spezialrechtliche Regelung von »Inhalt und Grenzen derartiger Befugnisse« gefordert. Diese Zweifel des Bundesbeauftragten teilt das Kabinett unter Verweis auf das Urteil der Karlsruher »Hüter des Grundgesetzes« zu Onlinedurchsuchungen nicht. »Keinen Eingriff in Grundrechte stellt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig dar, wenn Beamte des BKA unter einer Legende an offener Kommunikation in sozialen Netzwerken teilnehmen, solange der Betroffene nicht schutzwürdig in die Identität des Kommunikationspartners vertraut«, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Die Linksfraktion läßt sich von dieser schwammigen Formulierung nicht überzeugen. »Wer Informationen über sich selbst in einem sozialen Netzwerk offenlegt, muß darauf vertrauen können, daß der Staat nicht mitliest«, so die Linksfraktion. Sie will die sich weiterhin für einen Schutz der Grundrechte auch bei Ermittlungen der Polizei im Internet einsetzen.