Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich schwebt in anderen Sph&
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich schwebt in anderen Sphären
Auch fünf Tage nach den Anschlägen eines rechten Islamhassers in Norwegen, bei denen mindestens 76 Menschen getötet wurden, geht in Deutschland die Debatte über schärfere Sicherheitsmaßnahmen und die Hintergründe der Bluttaten weiter.
Einen Alarmknopf für das Internet forderte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Klaus Jansen. »Wer im Internet rechtsradikale Inhalte, islamistisches Gedankengut oder Hinweise auf einen Amoklauf entdeckt, muß die Seite einfrieren und an eine Alarmzentrale weiterleiten können.« Ermöglicht werden sollte ein solcher Notruf durch eine datenschutzrechtlich geprüfte Software. Der BDK habe diesbezügliche Pläne bereits an die EU-Kommission weitergeleitet. Daß es sich hier eher um ein politisches als um ein technisches Problem handelt, ignorierte der BDK-Chef. So weigert sich die Polizei bis heute, moslemfeindliche Straftaten analog zu antisemitischen gesondert aufzuführen. Und die Bundesregierung sah bislang proamerikanische und proisraelische Internetseiten wie politically incorrect, auf denen Islamhasser ihren Gewaltphantasien gegen Muslime freien Lauf lassen, nicht als bedenklich an.
Da der Attentäter von Oslo Mitglied eines Schützenclubs war und sein Massaker mit legal erworbenen Waffen verübt hat, forderte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Wieland, eine Verschärfung des deutschen Waffenrechts. »Das Ziel muß sein, daß Sportschützen nicht mehr mit Großkaliberwaffen schießen dürfen«, erklärte er. Das Mindeste wäre, daß Waffen und Munition nicht gleichzeitig in Privatwohnungen aufbewahrt werden dürfen.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sieht in den Anschlägen von Norwegen die Folge wachsender Islamfeindlichkeit. Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel beklagte eine fremdenfeindliche und nationalistische Stimmung in Europa, welche die Attentate begünstigt habe. »In einer Gesellschaft, in der der Antiislamismus und die Abgrenzung von anderen wieder hoffähig wird, in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.« Die Mitte der Gesellschaft müsse klarmachen, daß es dort keinen Platz für Rechtsradikalismus und Rechtspopulismus – »auch nicht in weich gespülten Versionen« – gibt. Daß Thilo Sarrazin, der Autor des rassistisches Hetzwerks »Deutschland schafft sich ab« weiterhin SPD-Mitglied ist, ignorierte sein Parteichef kurzerhand.
Ein Anschlag wie in Norwegen lasse sich in Deutschland nicht ausschließen, erklärte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gegenüber der Rheinischen Post vom Mittwoch. Auch die präventive Beobachtung der rechtsextremistischen Szene könne nicht verhindern, daß sich einzelne unbeobachtet radikalisieren. Friedrich, der vor knapp einem Monat bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts eine angeblich stark angestiegene Gewalt von links als Hauptgefahr beschwor, zeigte sich nun besorgt über eine Zunahme gewaltbereiter Rechtsextremisten. Insbesondere warnte Friedrich vor den »Autonomen Nationalisten«. Tatsächlich handelt es sich hier um besonders gewalttätige Neonazischläger. Doch mit dem proisraelischen Attentäter von Norwegen dürften die »Autonomen Nationalisten«, die gerne Palästinensertücher tragen, außer dem gemeinsamen Haß auf »Marxisten« wenig gemeinsam haben.
Grünen-Chef Cem Özdemir wies ein von SPD- und Linken-Politikern gefordertes NPD-Verbot mit Verweis auf den ersten wegen der V-Leute gescheiterten Versuch zurück. Die NPD bestritt unterdessen jede Nähe zu dem »Biobauern aus Norwegen«. Sie habe entgegen deutschen Presseberichten keine E-Mails des Osloer Attentäters mit seinen Bekenntnissen erhalten und wäre auch nicht daran interessiert gewesen, »ein 1500-Seiten-Pamphlet von einem unbekannten Norweger zu lesen oder gar noch übersetzen zu müssen«.