Wir beraten heute einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes. Konkret geht es um den Nachzug von Familienangehörigen zu den Spätaussiedlern, die bereits länger in der Bundesrepublik leben.
Bislang erhalten Spätaussiedler einen Aufnahmebescheid und können dann in die Bundesrepublik übersiedeln. Im Aufnahmebescheid sind auch die einbezogenen Angehörigen, also Eheleute und Nachkommen, genannt. Bislang war ein Nachzug zu einem späteren Zeitpunkt nicht möglich. Dies soll nun im Rahmen einer Härtefallregelung gelockert werden. Wird beispielsweise ein hier lebender Spätaussiedler krank und ist auf die Hilfe seiner Kinder angewiesen, kann das einen solchen Härtefall begründen. Die Kinder können dann nachträglich in den Aufnahmebescheid aufgenommen werden, obwohl sie ursprünglich in ihrem Herkunftsland bleiben wollten.
Grundsätzlich ist diese Lockerung begrüßenswert. Der Gesetzentwurf stellt auch klar, zumindest in seiner Begründung, dass das Ermessen der Behörden in dieser Frage recht großzügig ausgeübt werden soll. Dennoch stellt sich die Frage, warum hier eine solche Härtefallregelung notwendig ist und nicht stattdessen der Familiennachzug zu Spätaussiedlern ohne weitere Prüfung und ohne Fristen zugelassen wird. In der Gesetzesbegründung selbst ist davon die Rede, dass mit 5000 Anträgen im Rahmen dieser Regelung zu rechnen ist. Dort steht auch schon, dass die Hälfte davon abgelehnt werden wird. Das ist doch unsinnig und kleinlich – man schafft eine Härtefallregelung für einen sehr überschaubaren Kreis von Betroffenen, spricht aber gleich der Hälfte dieser Menschen ab, die Härtefall-Kriterien zu erfüllen. Insgesamt ist die Zuwanderung von so genannten Spätaussiedlern in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Nach den Spitzenwerten zu Beginn der 90er Jahre mit über 200.000 Aussiedlern und Spätaussiedlern pro Jahr sind es seit 2006 nur noch wenige Tausend, die pro Jahr übersiedeln. Selbst bei einer großzügigen Regelung werden sich die Zahlen also sehr in Grenzen halten.
Wie schon bei den Regelungen zum Familiennachzug im Aufenthaltsgesetz kritisiert DIE LINKE auch an diesem Gesetz, dass der Zuzug vom Nachweis deutscher Sprachkenntnisse abhängig gemacht wird. Das konterkariert im übrigen auch noch einmal den Charakter der Härtefallregelung. Denn davon soll nach der Gesetzesbegründung ja beispielsweise auch der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Abkömmling übergesiedelter Spätaussiedler profitieren können, der hilfsbedürftig geworden ist. Der müsste jetzt also unter extrem erschwerten Bedingungen zunächst Deutsch lernen, bevor er mit Aussicht auf Erfolg das Verfahren zur Aufnahme in der Bundesrepublik betreiben kann.
Das Bundesvertriebenengesetz hat über Jahrzehnte diejenigen ausländischen Staatsangehörigen bei der Zuwanderung nach Deutschland privilegiert, die nach Kriterien der blutsmäßigen Abstammung auf deutsche Vorfahren verweisen konnten. Damit sollte den Deutschen eine Übersiedlung in die Bundesrepublik ermöglicht werden, die in den sozialistischen Staaten Osteuropas lebten. Nach 1990 wurde dieses Gesetz fortgeschrieben, obwohl von einer Vertreibung der Deutschen nicht mehr die Rede sein konnte. Es wäre also an der Zeit mal grundsätzlich darüber nachzudenken, ob die Zuwanderung dieser Gruppe weiterhin in einem speziellen Gesetz statt im allgemeinen Aufenthaltsgesetz geregelt sein sollte.
(Nach Verabredung zwischen den Fraktionen zu Protokoll gegeben)