Das Bundesjustizministerium (BMJ) und die Justizminister der Länder haben sich weitgehend auf eine »Reform« der Sicherungsverwahrung geeinigt, die bis Mitte 2012 abgeschlossen sein soll. Tatsächlich enthalten die Abmachungen, die Ende vergangener Woche auf einer Sonderkonferenz in Magdeburg getroffen worden sind, zahlreiche Widersprüche. Zu der Erkenntnis, daß diese Regelung in einem Rechtsstaat abgeschafft werden müßte, konnten sich CDU/CSU, SPD und FDP nicht durchringen.
Seit 15 Jahren ist die Sicherungsverwahrung immer wieder verschärft worden. Dem ist zuerst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entgegengetreten, der die nachträgliche Aufhebung der Höchstdauer dieser Maßnahme von zehn Jahren im Dezember 2009 als Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot im Strafrecht gebrandmarkt hat. Mit einem Paukenschlag endete sodann ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG): Es hob am 4. Mai 2011 die Bestimmungen über die Sicherungsverwahrung gänzlich auf, vor allem, weil diese Form der Freiheitsentziehung sich von der Strafhaft nicht unterscheide.
Somit ist der Gesetzgeber, der zum 1. Januar 2011 neue Regeln in Kraft gesetzt hatte, erneut am Zug. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will wegen der Vorgabe aus Karlsruhe, daß der Vollzug »freiheitsorientiert und therapiegerichtet« ausgestaltet werden muß, den Begriff »Sicherungsunterbringung« einführen. Das mag besser klingen als »Verwahrung«, verschleiert aber, daß auch künftig Straftäter nach Verbüßung der eigentlichen Haft lebenslang inhaftiert werden können.
Dem Urteil vom 4. Mai 2011 folgend werden Strafvollzug und Sicherungsunterbringung künftig räumlich getrennt. Mit Therapieangeboten soll versucht werden, den Verurteilten auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Das ist aber keine reformerische Leistung, denn genau das haben die Richter vorgeschrieben. Ohne Einführung zusätzlicher Therapieangebote würde jede Neuregelung sofort vom BVerfG aufgehoben.
Bei der Frage, welche Straftaten zu dieser Anschlußmaßnahme führen können, wollen sich die Justizminister erneut über die Einschränkungen des BVerfG hinwegsetzen. Karlsruhe mahnte, daß sie nur bei schwersten Delikten als »ultima ratio« in Frage komme. Das Bundesjustizministerium will dagegen am bisherigen Straftatenkatalog, wie er seit 1. Januar 2011 gilt, nichts ändern.
Besonders schlimm ist die Neuregelung im Jugendstrafrecht. Dieser Bereich war bei der Reform zum 1.1. 2011 noch ausgeklammert worden. Hier wird zwar nun die nachträgliche Sicherungsverwahrung abgeschafft. Das ist aber eine halbherzige Lösung, denn im Gegenzug wird die »vorbehaltene« Sicherungsverwahrung eingeführt. Demnach kann bei der Verurteilung eines Jugendlichen angedroht werden, daß später gegen ihn Sicherungsverwahrung verhängt wird.
Streit besteht schließlich hinsichtlich der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Erwachsenen. Das BMJ will sie zwar abschaffen und statt dessen die »vorbehaltene« Sicherungsverwahrung ausbauen. Das betrifft aber nur Taten ab dem 1. Januar 2011. Bei den »Altfällen« (also vor 2011) soll eine Entscheidung über weitere Inhaftierung auch nach der Strafhaft möglich bleiben.
Den SPD-regierten Ländern geht dies nicht weit genug. Sie will auch für »Neufälle« (Tat nach dem 1. Januar 2011) eine nachträgliche Unterbringung nach Verbüßung der Strafzeit möglich machen. Ein endgültiger Gesetzentwurf ist noch im Herbst zu erwarten.