In den Koalitionsverhandlungen in Berlin, zu denen die CDU wie die Jungfrau zum Kinde gekommen ist, profiliert sich ihr Vorsitzender Frank Henkel als law-and-order-Politiker. Vor einem neuen Terrorismus wie zu Zeiten der RAF wird gewarnt. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, spricht von der „verharmlosenden Gewalt gegen Sachen“ , die sich jederzeit radikalisieren könne.
Gewalt gegen Sachen soll keineswegs verharmlost werden. Denn es kann niemals ganz ausgeschlossen werden, dass auch Menschen dabei zu Schaden kommen. Dass das „Hekla-Empfangskomitee“ in seinem Bekennerschreiben beteuerte, keinem Menschen Schaden zufügen zu wollen, ist ihm dennoch abzunehmen. Auch die Bahn AG selbst hat ein Entgleisen von Zügen wegen des Ausfalls der Signalanlagen für ausgeschlossen erklärt.
Die im Bekennerschreiben genannten Ziele der Gruppe sind durchaus richtig. Sie protestiert gegen Kriege von deutschem Boden aus und Waffenlieferungen in alle Welt; sie protestiert gegen die Ausplünderung anderer Kontinente und die Verarmung großer Teile der Bevölkerung – auch hierzulande; sie wendet sich gegen den alltäglichen Leistungsdruck, der Menschen kaputt und krank macht. Doch die Wahl der Mittel ist falsch.
Und sie ist kontraproduktiv. Sie ist die Vorlage für die politische Rechte, all das zu diskreditieren, wofür die Linke in diesem Land steht. Die Forderungen der CDU in den Berliner Koalitionsverhandlungen nach mehr Videoüberwachung und mehr Polizei zeigen es. Die in Berlin vergleichsweise gut ausgestatteten Programme gegen Rechtsextremismus sollten auf den Prüfstand, während Programme gegen „Linksextremismus“ gefordert werden. Während neofaschistische Anschläge auf linke Treffpunkte schon traurige Normalität sind, fabulieren Vertreter der CDU von einem neuen „Linksterrorismus“. Dafür können selbst Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt derzeit keinerlei Anzeichen erkennen. Den rechten Hardlinern sind solche analytischen Spitzfindigkeiten egal. Ihnen geht es um die Diffamierung jeder linken Politik, die über den tagespolitischen Tellerrand hinausschaut.
Gegen den Willen der übergroßen Mehrheit der Bundesbürgerinnen und -bürger verlängert die Bundestagsmehrheit ein ums andere Mal den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Dagegen ist Widerstand notwendig. Doch mit individuellen Sabotageaktionen auf den öffentlichen Nah- und Fernverkehr kann keine Antikriegsbewegung aufgebaut werden. Die von dem Verkehrschaos Betroffenen – überwiegend Werktätige und Studierende auf dem Weg zur Arbeit, zur Ausbildung oder zu ihren Familien und Freunden – werden sich deswegen nicht aktiv gegen den Afghanistan-Krieg wenden. Dazu kommt: Die Deutsche Bahn braucht wahrlich keine Brandsätze, um „entschleunigt“ zu werden. Das schaffen die Manager des Unternehmens im Zuge von Privatisierung und geplantem Börsengang schon alleine – auf Kosten der Bahnkundinnen und -kunden. Den Bundeswehreinsatz in Afghanistan können wir nur mit einer Massenbewegung beenden. Sabotageaktionen zu Lasten der Bevölkerung erweisen diesem Ziel einen Bärendienst. Darum: Lasst uns Sand im Getriebe der Kriegspolitik sein – massenhaft!
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, 12. Oktober 2011