In einer Anhörung des Bundestagsinnenausschusses sprachen sich am Montag mehrere Sachverständige auch aus den Reihen der Polizei für eine Kennzeichnungspflicht von Bundespolizisten aus. Anlaß der Anhörung war ein entsprechender Antrag der Fraktion Die Linke.
Kritik an der Forderung kam hingegen von den Polizeigewerkschaften. Sowohl die im DGB organisierte Gewerkschaft der Polizei (GdP) als auch die konservative Deutsche Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund (DPolG) sehen durch eine Kennzeichnung das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Beamten verletzt.
Dem steht allerdings die Erfahrung des früheren Berliner Polizeipräsidenten Dieter Glietsch entgegen, der Anfang des Jahres eine Kennzeichnung für die Hauptstadtbeamten durchgesetzt hat. Diesen steht es frei, Namens- oder Nummernschilder zu tragen. Im letzteren Fall sei es nur besonders befugten Mitarbeitern bestimmter Dienststellen erlaubt, die Nummern zu deanonymisieren, so Glietsch vor dem Ausschuß. Diese Regelung sei mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten abgestimmt worden.
Die Gewerkschaftsvertreter klagten, schon jetzt würden Polizisten im Einsatz »aggressiv« fotografiert. Würden sie durch Kennzeichnungen individualisiert, drohten ihnen nicht nur gezielte Falschbeschuldigungen, sondern auch Nachstellungen durch Gewalttäter. Diese Befürchtungen wurden allerdings durch andere Sachverständige zurückgewiesen: Rafael Behr von der Hochschule der Polizei in Hamburg warf den Gewerkschaften vielmehr vor, sie täten geradezu so, als könnten repressive polizeiliche Maßnahmen »nur im Schutz der Anonymität erfolgreich durchgeführt werden«. Wenn Beamte sich der Möglichkeit entziehen wollten, sich für ihr Verhalten rechtfertigen zu müssen, käme das »professionstheoretisch einer Bankrotterklärung an das demokratisch legitimierte Gewaltmonopol gleich«, so Behr. Außerdem werde eine Nummernkennzeichnung erst dann aufgeschlüsselt, wenn es ausreichende Gründe für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen beschuldigte Beamte gebe. Erfahrungen im In- und Ausland zeigten, daß sich keine Nachteile für Polizisten ergeben. Glietsch sprach in diesem Zusammenhang von »emotionalen Vorbehalten, die nicht auf Tatsachen gestützt werden können«.
Joachim Rahmann von Amnesty International betonte, aus menschenrechtlicher Sicht sei eine Kennzeichnung ausdrücklich geboten. Seine Organisation habe mehrere konkrete Fälle recherchiert, bei denen Polizisten sich unzweifelhaft Körperverletzung im Amt schuldig gemacht hatten, aber straffrei blieben: Ihre Opfer konnten sie aufgrund der einheitlichen Uniformierung und Behelmung nicht zweifelsfrei identifizieren. Das bestätigte auch der Berliner Expolizeichef. Für Glietsch ist die Kennzeichnung »in einer modernen und bürgernahen Polizei« aber vor allem »eine selbstverständliche Geste der Service- und Kundenorientierung«.
In der Anhörung ging es darüberhinaus um die Anwendung von Pfefferspray durch die Polizei. Nach den massiven Einsätzen des Reizmittels bei den »Stuttgart 21«-Protesten und beim Castortransport fordert Die Linke eine strikte Anwendungsbeschränkung auf Fälle unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben. Die meisten Sachverständigen hielten jedoch die gegenwärtige Praxis für gerechtfertigt, zumal das Reizmittel vor der Anwendung angedroht werden müsse, um Unbeteiligten die Chance zum Rückzug zu geben – eine Regelung, die gerade gegenüber Demonstranten oder Fußballfans praktisch nie eingehalten wird. Lediglich Amnesty-Mann Rahmann forderte den Verzicht von Pfefferspray gegenüber friedlichen Demonstranten. Das müsse auch für Blockaden gelten, selbst wenn diese an sich ungesetzlich seien.