Die CDU versucht den Spagat: Ihr Parteitag fordert einstimmig, die Einleitung eines neuen NPD-Verbotsverfahrens zu prüfen, und ihre führenden Repräsentanten fangen unverzüglich damit an, den Beschluß zu desavouieren. Zur Begründung seines Prüfauftrages verweist der Parteitag ausschließlich auf die Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU). So notwendig es ist, mögliche Beziehungen zwischen NPD und den neonazistischen Mördern aufzudecken: Mit der Fokussierung auf allein diesen Umstand bleibt die Union ihrer Linie treu, die Bekämpfung des Neofaschismus als Schmalspurprojekt zu betreiben. Dabei gibt es so viele Gründe für ein Verbot der NPD, daß es gar keiner Komplizenschaft mit dem »NSU« bedurfte, um das Faß zum Überlaufen zu bringen. Seit Jahren sind intensive personelle und organisatorische Kontakte zwischen NPD und militanten Neonazigruppen belegt.
Doch zugleich bremsen CDU-Führer ihren Parteitag wieder aus: »Ein erneutes Verfahren würde Jahre dauern«, gibt Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zu bedenken. Und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnt, zur Voraussetzung eines Verbotsverfahrens gehöre der vorherige Abzug der V-Leute. Man habe dann einige Jahre lang keinen Einblick in die Partei. »Das ist außerordentlich riskant«, so Friedrich. Dabei ist nun offensichtlich geworden, wie V-Leute in der Szene den Verfassungsschutz in den Blindflug geschickt haben.
So wie im Falle Tino Brandt. Er rühmte sich, den Geheimdienst an der Nase herumgeführt zu haben – nachdem er auf der Lohnliste des Verfassungsschutzes Thüringens stehend den »Thüringer Heimatschutz« anführte, dem auch die späteren NSU-Mörder angehörten. Später setzte Brandt seine Kaderkarriere als Vizechef der NPD Thüringen fort. Er war der Kronzeuge der Anklage im Verbotsverfahren gegen die NPD – und Anlaß für die Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, zwischen brutaler NPD-Hetze und dem Agieren des Verfassungsschutzes nicht unterscheiden zu können.
Staatliche Agenten tragen das ihre dazu bei, daß sich Neofaschisten zu Mördern radikalisieren. Das bringt Fraktionschef Volker Kauder auf den Plan: Die Union werde nicht zulassen, »daß das positive Bild von Deutschland durch ein paar solche Verbrecher Kratzer bekommt«. Das Verbot der »Nationalen« als patriotischer Akt. Kauder geht immerhin so weit, die V-Leute auf den Prüfstand zu stellen. »Ein Instrument, das uns nichts bringt, das brauchen wir auch nicht«, sagte er am Dienstag. Ein Umdenken in der Union steht wahrscheinlich nicht dahinter, eher der Versuch, das Thema NPD-Verbot als taktisches Mittel einzusetzen. Denn der Druck ist groß, daß die Regierungspartei zu Taten schreitet, um sichtbar etwas gegen die faschistischen Umtriebe zu unternehmen. Jedenfalls bis sich die veröffentlichte Aufmerksamkeit wieder anderen Themen zuwendet.
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