Rede zur 3. Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Errichtung einer Visa-Warndatei und zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (17/6643)
Wir beraten heute abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einrichtung einer so genannten Visa-Warndatei. Angeblich sollen so vermeintlicher Visumsmissbrauch, die unerkannte Einreise von Kriminellen und potentiellen Terroristen verhindert werden. Dafür sollen Daten über Straftaten mit Bezug zum Ausland und Daten von Einladern und Bürgern, die in der Vergangenheit falsche Angaben gemacht haben oder anderen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, gespeichert werden. Außerdem soll ein Abgleich mit der Anti-Terror-Datei stattfinden, wie er heute schon bei einigen ausgewählten Staaten insbesondere im Nahen und Mittleren Osten durchgeführt wird.
Ich habe für die Fraktion DIE LINKE schon in der ersten Lesung kritisiert, dass die Bundesregierung jeden Beweis für die Erforderlichkeit dieser Datei schuldig bleibt. Nach den Beratungen im Ausschuss und einer öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf muss ich hier feststellen: die Bundesregierung bleibt diesen Beweis auch weiter schuldig. Und das, obwohl die Koalitionsfraktionen sich mal wieder nicht erblödet haben, einen Beamte der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes als vermeintlich unabhängige Sachverständigen zu benennen. Aber selbst von ihnen gab es keine Zahlen zur vermeintlichen Bedrohung durch Visumsmissbrauch. Deutlich weniger als 2000 Personen sind in diesem und im vergangenen Jahr an der Grenze abgewiesen worden, weil bei der Einreise festgestellt wurde, dass sie im Visumverfahren falsche Angaben gemacht hatten. Wohlgemerkt, diese vermeintlichen Visumserschleichungen sind auch mit dem bestehenden Instrumentarium festgestellt worden, eine Datei mit allerlei Daten war dazu nicht erforderlich.
Die sonstigen Sachverständigen in der Anhörung des Innenausschusses haben die Erforderlichkeit der Datei vehement bestritten. Die Bundesregierung hat schon in der Gesetzesbegründung verpasst, etwas dazu zu sagen. Bundesregierung und Koalition konnten auch in der ersten Debatte hier im Haus keine Argumente vorbringen, warum die Einrichtung dieser Datei erforderlich sein soll. Und nun ist auch in der Anhörung nicht gelungen überzeugend darzulegen, wozu eine solche Datei erforderlich ist.
Dies gilt vor allem für den pauschalen Abgleich der Visumsdaten mit der Anti-Terror-Datei. In der Gesetzesbegründung findet sich dazu rein gar nichts, da wird lediglich der technische Mechanimsus des Abgleichens beschrieben. Auch in der Anhörung wurde rein gar nichts an Argumenten vorgebracht, die für einen pauschalen Abgleich der Daten aus einem Visumsverfahren mit der Anti-Terror-Datei sprechen würden. Ganz im Gegenteil. Der Landesdatenschutzbeauftragte für Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, hat sogar davon gesprochen, dass dieser Abgleich verfassungsrechtlich hoch problematisch sei. Schließlich sollen hier hunderttausende Menschen pro Jahr durchgerastert werden, ob bei ihnen Bezüge zum internationalen Terrorismus bestehen. Bislang gibt es keinerlei Hinweise, dass mutmaßliche Terroristen oder Unterstützer das Visumverfahren nutzen, um in die Bundesrepublik zu gelangen. Insofern fehlt es auch hier an der Erforderlichkeit der Regelung.
Ich habe aber den Eindruck, dass das die Koalition ohnehin nicht juckt. Selbst der Sachverständige des Bundes der Deutschen Industrie, benannt von der FDP-Fraktion, hat deutliche Kritik an einem Aspekt der Datei geäußert. Ich spreche von der Speicherung von Personen, die bei der Einladung falsche Angaben gemacht haben oder ihren Verpflichtungen aus der Bürgschaft für die Eingeladenen nicht nachkommen konnten. Der Gesetzentwurf sieht nicht vor zu prüfen, ob für diese geringen Verfehlungen im Visumverfahren ein Vorsatz vorliegen muss. Es kann sich also einfach mal jemand vertun, und schon landet er in dieser Datei und ist auf Jahre hinaus gebrandmarkt. Er muss damit rechnen, dass zukünftig Einladungen an Verwandte, Freunde oder Geschäftspartner aufgrund dieses Eintrags scheitern. Denn es ist ja klar, dass ein Treffer in der Visa-Warndatei in der Behördenlogik zur Versagung des Visums führt, sonst bräuchte man so eine Datei ja gar nicht. Von Regierung und Koalition wird zwar tapfer das Gegenteil behauptet, aber das ist in hohem Maße unglaubwürdig. Schon heute wird ja bei dem kleinsten Verdacht auf Missbrauch ein Visum verweigert.
Mit der Visa-Warndatei legen Sie den Grundstein für eine noch restriktivere Praxis bei der Erteilung von Einreiseerlaubnissen. Sie wollen Visumantragsteller, Einlader, Bürgen und weitere verfahrensbeteiligte Personen auf eine Art und Weise durchleuchten, wie sie in der EU einmalig sein dürfte. Sie wollen Daten in einer Datei ein weiteres Mal speichern, die längst schon woanders – im Bundeszentralregister, im Ausländerzentralregister, bei den Auslandsvertretungen und nicht zuletzt im Visa-Informationssystem der EU – gespeichert sind.
Am Schluss will ich noch auf einen Punkt eingehen, der für die Einführung einer solchen Datei ins Feld geführt wurde und den ich bedenkenswert finde. Es geht um die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Wenn Sie den Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution helfen wollen, dann müssen Sie den Opferschutz verbessern. In einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses gestern wurde vorgetragen, was dazu nötig wäre: Erteilung von Aufenthaltstiteln für die Opfer ohne Vorbedingungen, Verbesserung von Beratungs- und Hilfsangeboten, Zugang zu psychologischer Hilfe und Therapie auch über das Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltserlaubnis zum Einklagen von entgangenem Lohn und Schadensersatz. Das wird von der Union alles rundweg abgelehnt. Wenn Sie hier vorgeben, Menschenhandel bekämpfen zu wollen, ist das schlicht zynische Heuchelei. Wir werden dieses Vorgehen nicht mittragen und lehnen den Gesetzentwurf ab.
(Die Rede wird nach einer Vereinbarung der Fraktionen zu Protokoll gegeben.)