Sehr geehrter Herr Petermann,
durch Zufall fand ich im Internet Ihren Offenen Brief vom 11.Januar 2012. Da Sie diesen Brief offensichtlich gar nicht erst an meine Adresse geschickt haben und sich auch nicht die Mühe gemacht habe, meinen Namen richtig zu schreiben, erwarten sie vermutlich keine Antwort. Dennoch möchte ich auf Ihr Schreiben reagieren.
Im Zusammenhang mit den schweren Polizeiübergriffen auf afrikanische Demonstranten, die sich am 7. Januar in Dessau für eine Aufklärung der Todesumstände des vor sieben Jahren in Dessauer Polizeihaft verbrannten Oury Jalloh einsetzten, hatte ich in einer Presseerklärung einen „rassistischen Sumpf bei der Dessauer Polizei“ beklagt. Sie sehen darin eine „verbale Entgleisung, die nicht nur jeglicher Grundlage entbehrt, sondern auch verleumderischen Charakter hat“ und fordern mich auf, den Vorwurf zurückzunehmen. Doch dieser kommt nicht aus heiterem Himmel.
Vor sieben Jahren verbrannte der Asylbewerber aus Sierra Leone Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam. Als es nach zwei Jahren endlich zu einem Prozeß gegen die beiden diensthabenden Polizisten kam, lautete die Anklage nicht etwa auf Mord, sondern auf „fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge“. Die Beamten hätten ein Feuerzeug übersehen, mit denen sich der an Händen und Füssen gefesselt auf einer feuerfesten Matratze liegende Jalloh selbst angezündet hatte, lautete die abstruse These des Oberstaatsanwalts. Offensichtlich von höherer Stelle sorgfältig einstudierte Polizeizeugen deckten die im Jahr 2008 freigesprochenen Angeklagten. Selbst der Bundesgerichtshof in Karlsruhe rügte die unglaubliche Urteilsbegründung als lückenhaft, die Beweisführung des Gerichts als nicht nachvollziehbar und das Verhalten der Polizisten als nicht pflichtgemäß.
Seit vergangener Woche werden die Todesumstände von Oury Jalloh in einem Revisionsverfahren vor dem Landgericht Magdeburg erneut verhandelt. Der damalige Dienstgruppenleiter Andreas S. ist wegen „fahrlässiger Tötung“ angeklagt. Weil afrikanische Demonstranten die Parole „Oury Jalloh, das war Mord!“ riefen, wurden sie am Samstag vor Prozessbeginn auf einer Gedenkdemonstration in Dessau von der Polizei krankenhausreif geprügelt. Landgericht Magdeburg bereits 2006 entschieden habe, dass derartige Losungen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien. Im Vorfeld der Demonstration hatte auch das Oberverwaltungsgericht Leipzig erklärt, eine Strafbarkeit der Behauptung, Oury Jalloh sei ermordet oder vorsätzlich getötet worden, könne „nicht im Vorhinein, sondern nur dann beurteilt werden, wenn die Äußerungen konkret vorliegen. Bis dahin obliegt es der Meinungsfreiheit des Einzelnen, aber auch seinem Risiko, derartige Äußerungen in einer Art und Weise zu tätigen, dass er sich damit nicht strafbar macht.“
Im Klartext: Wenn sich ein Polizist von dieser Behauptung beleidigt fühlt, obliegt es einem Gericht, die Strafbarkeit dieser Äußerungen anschließend zu klären. Derartige rechtsstaatliche Gepflogenheiten scheinen nach Ansicht der Dessauer Polizei für Schwarze nicht zu gelten. In Kolonialherrenmanier wurde mit Knüppeln und Pfefferspray kurzerhand Selbstjustiz gegen unliebsame Äußerungen geübt. Selbst das Innenministerium von Sachsen-Anhalt hat anschließend einen Dezernatsleiter der Polizeidirektion Ost aufgrund seines Fehlverhaltens bei der Beschlagnahme des Plakates „Oury Jalloh, das war Mord“ versetzt. Innenminister Holger Stahlknecht hat sich persönlich von der Beschlagnahme distanziert.
Unter den Opfern des Prügel- und Pfeffersprayeinsatzes befand sich auch der Initiator der Proteste, Mouctar Bah, der wesentlichen Anteil an der Bewegung für die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh hat. Er ist schon in der Vergangenheit mit Maßnahmen der Polizei überzogen worden, die ihn ganz offensichtlich einschüchtern sollten.
All diese Vorkommnisse ließen mich zu dem Schluss kommen: „Die Dessauer Polizei rückt zusammen, wenn es um den Rassismus aus ihren Reihen geht. Dieser Sumpf muss endlich ausgetrocknet werden.“ Ich beziehe mich dabei auf konkrete Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Tod von Oury Jalloh, dem nachfolgenden Prozess und dem Vorgehen gegen afrikanische Demonstranten. Ein Generalverdacht und Pauschalverurteilungen gegen alle Polizeibeamtinnen und –beamten in Sachsen-Anhalt ist damit nicht beabsichtigt.
In dem von Ihnen zitierten Sondervotum der Linksfraktion im Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss heißt es, „dass die Mehrheit der PolizeibeamtInnen Sachsen-Anhalts stets hoch engagiert und sensibilisiert rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Handlungen entgegentreten“. Das möchte ich gerne glauben. Um so wichtiger ist es aber in meinen Augen, gegen die Minderheit von Beamten, die sich nicht so verhalten, sondern rassistisches Fehlverhalten ihrer Kollegen decken, mit aller Entschiedenheit vorzugehen. Dies sollte auch und gerade im Interesse der Masse der Polizeibeamtinnen und -beamten in Sachsen-Anhalt sein, die aufgrund solcher „schwarzer Schafe“ auch selber in ein schlechtes Licht gerückt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulla Jelpke