Rede zu TOP 18 der 219. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages, 2.+3. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften auf BT-Drs 17/10489
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke wird diesem Gesetzentwurf zustimmen,
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
auch wenn ich ein paar Kritikpunkte habe, Herr Kollege Höferlin.
Der vorliegende Gesetzentwurf hat sich zur Aufgabe gemacht, Schlussfolgerungen aus den praktischen Erfahrungen zu ziehen. In letzter Minute hat der Innenausschuss noch eine Änderung am ursprünglichen Gesetzentwurf der Regierung vorgenommen. Darauf gehe ich gleich ein.
Auch die Linke hat sich dafür eingesetzt, dass die Möglichkeit besteht, dass Eltern von totgeborenen Kindern bzw. Sternenkindern diese im Personenstandsregister eintragen lassen können. Das ist für uns seit langem eine Selbstverständlichkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Nachdem die Koalitionsfraktionen noch einen Änderungsantrag eingebracht haben, wonach ein neugeborenes Kind ohne eindeutige Geschlechtszugehörigkeit nun auch ohne Geschlechtsangabe in das Geburtenregister eingetragen werden kann, meinen wir, dass das in der Tat den Druck von den Eltern nimmt, schon bald nach der Geburt geschlechtsangleichende Operationen an ihrem Kind vornehmen zu lassen. Wir wissen, dass das Kind dies in der Regel nur selbst entscheiden kann, wenn es erwachsen ist. Wir wissen, dass gerade solche Kinder sehr depressiv sind. Es gibt überdurchschnittlich viele Selbstmorde und Ähnliches.
Ich will hier etwas ganz deutlich sagen; das ist nämlich nicht ganz richtig wiedergegeben worden. Der Deutsche Ethikrat hat vor einem Jahr eine Stellungnahme zum Thema Intersexualität abgegeben, auf die sich nun die Koalition mit ihrem Vorschlag beruft. Allerdings hat der Ethikrat sehr viel weiter gehende Forderungen aufgestellt, die sich im vorliegenden Gesetzentwurf leider nicht wiederfinden.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Schade! Chance vertan!)
Die Möglichkeit, in der Kategorie „Geschlecht“ neben „männlich“ oder „weiblich“ eine neue Kategorie, nämlich „anderes“, einzuführen, die es übrigens in einigen Ländern gibt – Australien, Belgien usw. –, ist leider nicht aufgegriffen worden.
(Manuel Höferlin [FDP]: Das ist richtig so!)
– Das geht meines Erachtens sehr wohl. Das Entscheidende ist, Herr Kollege: Im Grunde genommen ist die jetzige Lösung halbherzig; denn die Eltern und die Betroffenen werden durch eine Nichteintragung immer wieder in Erklärungsnöte gebracht. Wenn sie auf irgendeiner Behörde sind, werden sie gefragt: Warum steht da nicht „männlich“ oder „weiblich“? Was sind Sie eigentlich?
Meine Kollegin Gabriele Fograscher hat hier bereits erwähnt, dass für transsexuelle Menschen im vorliegenden Gesetz keine Lösungen gefunden wurden. Es gibt sehr hohe Hürden, insbesondere im Transsexuellengesetz. Wir finden es sehr problematisch, dass Betroffene beispielsweise ihre Vornamen immer noch nicht eigenständig verändern können; sie können da nicht einfach zur Behörde gehen. Sie müssen immer noch zwingend psychiatrische Begutachtungen über sich ergehen lassen, die übrigens – das nur ganz nebenbei – teuer sind, wenn sie eine Änderung ihres Vornamens vornehmen wollen. Deswegen fordern wir hier ganz klar unbürokratische Herangehensweisen, sodass diejenigen, die ihren Vornamen ändern wollen, ihn auch ändern können, wenn sie sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen.
Insofern stimmen wir zwar zu, aber melden noch einigen Nachbesserungsbedarf an; Nachbesserungen werden wir weiterhin fordern.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)