Im Jahr 2002 hat der Bundestag einen Beschluss des Bundessozialgerichts umgesetzt und einstimmig beschlossen, dass NS-Opfer, die unter den Nazis in Ghettos gezwungen wurden und dort einer Arbeit nachgegangen waren, für diese Arbeit eine Rente erhalten sollen.
Wir müssen leider feststellen, dass dieses Gesetz nicht so umgesetzt worden ist, wie es von uns allen hier im Haus beabsichtigt war. Durch Fehler und Mängel haben Zehntausende von überlebenden Ghettoarbeitern kein Geld erhalten oder weniger als geplant.
Ich will hier nicht anfangen, Schuldzuweisungen an Parlament, Bundesregierung und Deutsche Rentenversicherung zu verteilen. DIE LINKE will, dass der Mangel behoben wird. Denn eine Seite kann definitiv nichts dafür: Die NS-Opfer, die im Ghetto geschuftet haben. Es darf nicht sein, dass sie für Fehler bezahlen sollen, die bei der Anwendung des Gesetzes zu Tage traten. Deshalb stellt DIE LINKE diesen Antrag.
Das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG)“ musste praktisch als gescheitert angesehen werden, als in den ersten Jahren von über 60.000 Anträgen nur 5100 bewilligt wurden.
Das lag zu einem großen Teil an den fragwürdigen Begrifflichkeiten im Gesetz selbst bzw. ihrer Auslegung. So etwa der erforderten Freiwilligkeit der Arbeitsaufnahme und dem Erhalt von Entgelt dafür. Etliche Betroffene haben das als Verharmlosung der mörderischen Zustände im Ghetto empfunden.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat fast alle Anträge abgelehnt, weil sie ebenfalls keine Freiwilligkeit gesehen hat. Erst spät, 2009, hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die Begriffe großzügig interpretiert werden müssen und man die Spielräume berücksichtigen muss, die es auch im Ghetto gab, so gering sie auch gewesen sind. Auch eine Handvoll Kartoffeln extra stellt ein Entgelt dar, das damals überlebenswichtig sein konnte.
Dieses Urteil war extrem wichtig. Das zeigt das Ergebnis der Überprüfungen, die danach von der Rentenversicherung vorgenommen wurden. Ich habe mir dieser Tage die aktuellen Zahlen geben lassen. Von knapp 28.000 neu erteilten Bescheiden fielen rund 25.000 positiv aus.
Diese Menschen erhalten jetzt also Rente, nachdem sie ihnen erst verweigert worden war. Das ist eine erfreuliche Nachricht, die aber dadurch getrübt wird, dass mindestens 17.000 Betroffene keinen neuen Bescheid mehr erhalten konnten: 7000 sind zwischenzeitlich verstorben, weitere 10.000 nicht mehr auffindbar, weil sie unbekannt verzogen oder ebenfalls verstorben sind.
Und einen weiteren Wermutstropfen gibt es: Noch immer wird das Gesetz nicht so durchgeführt, wie es vom Bundestag einst beschlossen worden ist. Damals haben wir den Betroffenen gesagt: Wenn Ihr bis Mitte 2003 Euren Antrag einreicht, dann zahlen wir Euch die Rente ab dem Jahr 1997 rückwirkend aus. 1997 wurde deswegen als Stichdatum gewählt, weil damals der erste einschlägige Beschluss des Bundessozialgerichtes ergangen war, dass Ghettoarbeit prinzipiell einen Rentenanspruch begründet. Auszahlung ab 1997 – darin waren wir uns damals alle einig, auch die Gesetzesbegründung machte das klar.
Doch das hat nicht geklappt. Bei den 25.000 Anträgen, die nach dem Urteil des Bundessozialgerichts neu geprüft und anerkannt worden sind, wird die Rückwirkung erst ab 2005 angewandt. Das hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage mit der im allgemeinen Sozialrecht geltenden maximalen Rückwirkung von vier Jahren begründet, und diese vier Jahre werden von der BGS-Entscheidung an gerechnet.
Im Klartext heißt das also: Die allermeisten Berechtigten erhalten die Rente nicht, wie ursprünglich versprochen, rückwirkend ab 1997, sondern erst ab 2005. Und das hält DIE LINKE für einen Fehler, den wir gutmachen müssen, auch wenn wir dafür rechtliches Neuland betreten müssen. Das haben wir beim ersten Gesetz ja auch getan.
Deswegen beantragen wir, dass die Renten ab 1997 rückwirkend ausgezahlt werden. Darin waren wir uns in diesem Parlament ja alle einig, und ich hoffe sehr, dass wir uns auch heute noch darin einig sind. Wir können nicht die NS-Opfer verhöhnen, indem wir sie für unsere Fehler bezahlen lassen.
(nach Vereinbarung zwischen den Fraktionen zu Protokoll gegeben.)