Allerdings erscheint die Ausstellung des Verfassungsschutzes der falsche Weg, um über die Gefahren und Hintergründe des Neofaschismus aufzuklären. Denn diese Ausstellung behandelt eben nicht nur den Rechtsextremismus, sondern setzt diesen darin gleich mit angeblichem linken Extremismus und religiösem Fanatismus. Eine solche von der schwarz-gelben Bundesregierung bereits im der Koalitionsvereinbarung vorgenommene Gleichsetzung von rechts und links verbietet sich in meinen Augen schon aufgrund der Fakten. Seit 1990 wurden nach einer Zählung der selber aus Bundesmitteln finanzierten Amadeo Antonio Stiftung 182 Menschen durch Rassisten und Neonazis ermordet. Die Zeitungen Tagesspiegel und Zeit kamen noch vor Bekanntwerden der Mordserie der Zwickauer Naziterroristen auf 137 Todesopfer durch rechte Gewalt bis zum Jahr 2010. Eine solche Masse an rechten Morden etwa mit brennenden Autos in Berlin und Hamburg, bei denen eine linke Urheberschaft bislang nur bei einer Handvoll Fällen nachgewiesen werden konnte, gleichzusetzen, verbietet sich eigentlich von selbst.
Der Extremismusansatz, der hinter dieser Ausstellung steht, hält wissenschaftlichen Anforderungen nicht statt und wird daher von der Mehrzahl der Sozialwissenschaftler abgelehnt. „So wenig die Extremismustheorie eine Analyse des Rechtsextremismus ermöglicht, so wenig verfügen ihre Vertreter über eine geeignete Strategie, ihn zu bekämpfen“, meint etwa der bekannte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Christoph Butterwegge. Doch aufgrund dieses rein ideologisch motivierten Extremismusansatzes behindert die schwarz-gelbe Bundesregierung den Kampf gegen rechte Gewalt. So werden bürgerschaftliche Projekte gegen Rechtsextremismus von der Bundesregierung selbst unter extremistischen Generalverdacht gestellt. Mit der Extremismusklausel sollen sich diese Projekte im Falle einer Förderung aus öffentlichen Mitteln dazu verpflichten, auch alle ihre Kooperationspartner einschließlich Referenten, Druckereien etc. auf Verfassungstreue zu überprüfen. So etwas sät Misstrauen und verhindert den gemeinsamen Schulterschluss aller Nazigegner gegen Rechtsextremismus, wie wir ihn gerade in Dortmund anlässlich der alljährlichen Naziaufmärsche im September immer wieder erfolgreich praktiziert haben. Wenn ein bürgerschaftliches Projekt gegen Rechtsextremismus beispielsweise mich als Referentin einladen will, riskiert es damit seine öffentliche Förderung. Denn wie zuletzt wieder bei der Debatte um die Überwachung von Abgeordneten der Linkspartei deutlich wurde, betrachtet der Verfassungsschutz auch mich als eine „Extremistin“, über die der Geheimdienst ein Dossier angelegt hat.
Nun haben auch Sie gegenüber der Presse erklärt, jeder sei zur Besichtigung der Ausstellung willkommen. Mit einer Ausnahme: „Es dürfen keine Extremisten sein.“ Da würde mich doch interessieren, ob ich als gewählte Dortmunder Abgeordnete diese Ausstellung Ihrer Meinung nach nicht besuchen darf, weil mich der Verfassungsschutz ebenso wie Dutzende weitere Landtags- und Bundestagsabgeordnete unserer Partei als „extremistisch“ einstuft?
Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulla Jelpke