Die von der Bundesregierung vorgesehene Errichtung einer gemeinsamen Datei »zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus« ist bei einer Expertenanhörung am Montag im Innenausschuß des Deutschen Bundestages auf Kritik von Sachverständigen gestoßen. Verfassungsrechtliche Mängel wurden ebenso wie der fragliche Nutzen einer solchen Sammlung angesprochen.
Die Datei soll die Erkenntnisse von 38 Sicherheitsbehörden, darunter Geheimdienste und Kriminalämter, zusammenführen. Kritisch ist bereits, daß die zentralen Begriffe »Gewalt« und »Rechtsextremismus« nicht klar definiert sind. Professor Ralf Poscher von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wies darauf hin, daß mitunter schon »rein passive Formen der Sitzblockade« als Gewalt gewertet würden. Das rechtfertige aber nicht den Grundrechtseingriff durch einen Eintrag in die Datei. Auch das Vorhaben eines »Freitextfeldes«, in das die beteiligten Sicherheitsbehörden subjektive Bewertungen und Zusammenfassungen eintragen können, wurde wie die Eilfallregelung als fragwürdig bezeichnet. Den grundrechtlichen Anforderungen werde der Gesetzentwurf hier »nicht im Ansatz gerecht«, so Poscher. Während im Normalfall »nur« Grunddaten wie Name und Adresse sichtbar werden, weitere aber nur auf begründete Anfrage übermittelt werden, darf die anfragende Behörde in einem selbst definierten Eilfall die weiteren Informationen auch auslesen. Gespeichert werden können, so die Planungen, auch »Kontaktpersonen« aus der rechten Szene, die selbst nicht gewaltbereit sind, aber Hinweise über andere, gewaltbereite Neonazis geben könnten. Das sei zu viel Interpretationsspielraum, warnte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar: Es könnten »auch unbescholtene Personen auf der Grundlage eines objektiv mehrdeutigen Sachverhalts als Kontaktpersonen in der Rechtsextremismus-Datei gespeichert werden«, zumal die Behörden nach dem Motto »in dubio pro Speicherung« handelten. Andere Sachverständige warnten vor einer »Gesinnungsdatei«.
Der Berliner Rechtsanwalt Sönke Hilbrans argumentierte, gemeinsame Dateien seien unter dem Aspekt der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten eine »Risikotechnologie für die Demokratie und für den Datenschutz«. Er warf zugleich die Frage auf, ob es nicht noch viel zu früh sei, sich auf bestimmte Instrumente festzulegen. Er plädierte unter anderem dafür, zunächst die Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse des Bundestages und des Thüringer Landtages zu der dem »Nationalsozialistischen Untergrund« angelasteten Mordserie abzuwarten. Hilbrans wies darauf hin, daß die Behörden schon jetzt zahlreiche Pflichten und Möglichkeiten zum Informationsaustausch hätten. Probleme gebe es offenbar »eher in der Kooperationsbereitschaft als in der technischen oder rechtlichen Kooperationsfähigkeit«. Man solle besser Aufklärung und Fehleranalyse betreiben, »bevor den vielen bestehenden eine neue sicherheitsbehördliche Kooperationsstruktur hinzugefügt wird«.
Scharfe Kritik gab es von Schaar an den Datenschutzregelungen. Während alle Sicherheitsbehörden die Dateien zentral einsehen könnten, werde ihm dies bei der sogenannten Antiterrordatei gegen Islamisten verweigert. Bei der Antineonazidatei zeichnet sich das gleiche Spiel ab. Bürger müßten ihre Auskunftsanträge bei jeder der 38 beteiligten Behörden getrennt stellen und etwaige Widerspruchs- und Klageverfahren jeweils einzeln durchfechten.