Die Union hat eingewilligt, wenigstens damit anzufangen: Sie denkt über ein NPD-Verbotsverfahren nach – nicht, ohne täglich neue »Hürden« zu erkennen. Die scheinen jedes Mal ein wenig höher zu liegen.
Natürlich sind die Hürden hoch, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat. Jene des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes sind womöglich noch höher. Aus Sicht der Linken kommt es nicht in Frage, sie zu umgehen, wie Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann vorhat. Er will die NPD zwar nicht verbieten, ihr aber die Parteienfinanzierung streichen. Denn es darf nicht darum gehen, die Demokratie einzuschränken, sondern sie stärker zu machen. Die Begründung dafür ist klar: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Das Überspringen von Hürden setzt voraus, daß man gut in Form ist und Bescheid weiß, wo sie stehen. Was das angeht, sind Zweifel angebracht. Erst gestern wieder wurde mir im Innenausschuß des Bundestages versichert, die Bundesregierung sammle fleißig sämtliche Erkenntnisse zur NPD. Falls das stimmt, ist es gut – aber besser wäre es, wenn sie diese Erkenntnisse auch einmal ordentlich analysieren würde. Denn alle paar Wochen teilt die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen der Linksfraktion zu Umtrieben der Neonaziszene mit: Sie habe keine Kenntnisse, das sei nicht ihr Zuständigkeitsbereich, oder: Sie habe vielleicht Kenntnisse, teile diese aber nicht mit, weil damit schützenswerte Staatsgeheimnisse verraten würden.
Zu befürchten ist nun: Das Verbotsverfahren gegen die NPD dient als Möglichkeit, die öffentliche Aufmerksamkeit in Sachen Rassismus und Antisemitismus zu bündeln und damit von der Tatsache abzulenken, daß die NPD zwar besonders menschenfeindliche Positionen vertritt, reaktionäre Ideologien aber längst in der vermeintlichen »Mitte« der Gesellschaft verankert sind. In der Abschiebepolitik, in der Sozialpolitik, in der Kriegspolitik, bei der »Inneren Sicherheit«: Überall wird man darauf gestoßen, wie brüchig der vermeintliche Konsens der Demokraten ist, wie lebendig autoritäre, sozialdarwinistische Vorstellungen sind. Hobbygenetiker Thilo Sarrazin hat es überdeutlich vorgeführt.
Die Aufgabe für Antifaschisten ist eine doppelte: Zu verhindern, daß die Innenminister das NPD-Verbotsverfahren bewußt schlampig führen, weil sie die NPD auf ihre Weise durchaus brauchen können, und zugleich dafür zu sorgen, daß das Verfahren nicht als Alibi genutzt wird, beim alltäglichen Rassismus wegzuschauen.