Seit einem halben Jahr steht der »Zug der Erinnerung« still. Die Ausstellung auf Rädern, mit der an die Verantwortung der Reichsbahn bei der Deportation von Juden, Sinti und Roma sowie Zwangsarbeitern erinnert wird, hat seit 2007 über 100 Bahnhöfe angesteuert und 400000 Besucher angezogen. Aber jetzt kann der Trägerverein die Gebühren nicht mehr bezahlen, die ihm die Deutsche Bahn für die Trassennutzung berechnet. Eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hat nun allerdings die Bahn unter Druck gesetzt. Der gemeinnützige Verein war der Bahn von Anfang an ein Dorn im Auge. Immer wieder wurde dem Zug der Erinnerung (ZdE) die Benutzung von Schienenwegen verweigert, Aufenthalte auf Bahnhöfen aus angeblichen Sicherheitsgründen gestrichen. Am ärgsten wirken aber die Trassenkosten: Jeder Kilometer auf DB-Anlagen kostet Geld. Von November 2007 bis Dezember 2011 hat die DB dafür 184000 Euro kassiert. Hinzu kommen sogenannte indirekte Kosten in Höhe von 55000 Euro.
Nichts ist umsonst: Schon die Deportationen im NS-Reich hatten der Bahn Geld eingebracht, nach Berechnungen des ZdE umgerechnet an die 445 Millionen Euro, mit Zinsen gar zwei Milliarden. Nun wird beim Erinnern die Hand aufgehalten. Das ist politisch nicht vermittelbar und auch rechtlich umstritten: Die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung dient einzig der Sicherstellung des unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene. Der ZdE ist aber kein Wettbewerber, sondern ein Ausstellungszug. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages nennt die Praxis der Bahn, dennoch Gebühren einzufordern, »zweifelhaft«. Klar sei hingegen, daß die Bahn die Betriebskosten nicht auch noch berechnen müsse. Nur: Zwingen kann man die Bahn nicht. Die Bundesregierung hält deren Politik für rechtens, zugleich lehnt sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion von Ende April auch jegliche Gesetzesänderung ab, die dem ZdE die Gebührenzahlung ersparen könnte. Eine Spende an den Verein sei »nach wie vor die beste Lösung«, sagt sie. Tatsächlich hatte die Bahn im Juni 2009 eine Spende an die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) über 175000 Euro geleistet, von denen 150000 Euro an des Zugprojekt durchgereicht wurden. Aber: Diese Summe war schon damals geringer als die Einnahmen, die der Bahn durch den ZdE erwachsen waren. Seither hat es überhaupt keine Spenden mehr gegeben. Ob die Bundesregierung Druck mache, wollte die Linksfraktion wissen. Antwort: Sie stehe »in ständigem Kontakt mit der Deutschen Bahn AG« – angesichts der Alleineigentümerschaft eine schon fast rotzige Antwort. Erörterungen in Aufsichtsratssitzungen unterlägen aber der Verschwiegenheitspflicht. Und überhaupt könne die Bundesregierung auch als Alleineigentümerin nicht in die konkrete Geschäftspolitik eingreifen.
Das Medienecho auf die Kleine Anfrage hat die Bahn aber unter Zwang gesetzt. Diese will nicht im Ruf stehen, das Gedenken zu verhindern. Einen Tag nach Veröffentlichung der Regierungsantwort kündigte ein Unternehmenssprecher an, die Bahn werde alle Einnahmen durch den ZdE an die Stiftung EVZ spenden. Weit besser wäre es aus Sicht des Vereins, wenn die Bahn einfach mit eigenen Lokomotiven, den Transport des Ausstellungszuges übernehmen würde. Damit wäre jegliche Diskussion über Trassenkosten, Erstattungspflichten und Rückspenden überflüssig. Vor allem hätte der ZdE Planungssicherheit. Doch so weit geht das Interesse der Bahn an der Erinnerungsarbeit nicht: Auf entsprechende Anfragen hat sie bereits ablehnend reagiert.