Nach den gewaltsamen Übergriffen von Salafisten auf Polizisten fordern Innenpolitiker von Union, FDP und SPD ein hartes Vorgehen des Staates gegen die religiösen Fanatiker. Auf die muslimfeindliche »Freiheit statt Islam«-Tour, bei der einige Dutzend Anhänger der rechtsextremen Splittergruppe »Pro NRW« vor Moscheen mit Karikaturen des Propheten Mohammed provozierten, hatten Salafisten in Bonn und Solingen mit Gewalt gegen die zum Schutze der Rechten aufmarschierte Polizei reagiert. Am vergangenen Wochenende waren dabei in Bonn über 100 zum Teil mit Zaunlatten und Messern bewaffnete Salafisten festgenommen worden, gegen einen 25jährigen wurde aufgrund von Messerangriffen ein Haftbefehl wegen dreifachen versuchten Polizistenmordes erlassen. Die Tour der Rechtspopulisten von »Pro NRW« endete am Dienstag geschützt von einem Großaufgebot der Polizei vor der Baustelle einer Kölner Moschee zwar mit Protesten, aber ohne erneute Gewalt.
Die Debatte um die Salafisten ging da erst richtig los. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärte, Deutschland werde sich »keine Religionskriege aufzwingen lassen«. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sprach sich für eine Ausweisung militanter Islamisten aus. Auch der hessische Innenminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) forderte im Rahmen der »wehrhaften Demokratie« Abschiebungen, Einreise- und Versammlungsverbote. Dagegen warnte der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, vor einem weiteren Zulauf junger Muslime zu den Salafisten, wenn die Debatte alleine repressiv geführt werde. Die Linksfraktion hält es für notwendig, die muslimische Mehrheit gegenüber den Salafisten durch die Beseitigung von Integrationshürden zu stärken.
Erstmals wurde unterdessen ein Anhänger eines radikalen Islamverständnisses aufgrund seiner religiösen Überzeugung aus dem Staatsdienst entlassen. Der 31jährige Polizeikommissar Ali K. stelle das islamische Recht der Scharia über die freiheitlich-demokratische Grundordnung, wird die vorläufige Suspendierung des Duisburger Streifenpolizisten begründet. Ali K. hatte Anfang des Jahres Infostände zur Verteilung salafistischer Schriften angemeldet. Nach Informationen der WAZ-Mediengruppe hatte der Kommissar zudem im Jahr 2009 ein halbes Jahr lang beim mobilen Observationskommando des Verfassungsschutzes gearbeitet, dessen Aufgabe in der Ausspähung von »Extremisten« bestand. »Wie auch beim Einsatz von V-Leuten in der Neonaziszene fragen wir, ob der Geheimdienst hier die Gruppen, die er zu bekämpfen vorgibt, fördert und möglicherweise mit Informationen versorgt«, sieht die frühere innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Düsseldorfer Landtag, Anna Conrads, »den Bock zum Gärtner gemacht«.
Die vor allem aus Saudi-Arabien finanzierten Salafisten sind eine ultraorthodoxe Strömung im sunnitischen Islam. Ihr Ideal ist der »wahre Islam« der »frommen Altvorderen« (arab. Salaf: Vorfahren) zu Zeiten des Propheten Mohammed und seiner unmittelbaren Nachfolger. Dschihadistische Gruppierungen wie Al-Qaida rekrutieren sich aus dem Spektrum der Salafisten, die auch die zweitstärkste Fraktion nach den gemäßigteren Moslembrüdern im ägyptischen Parlament stellen und in Ägypten für Anschläge auf religiöse Minderheiten verantwortlich sind. Islamwissenschaftler gehen davon aus, daß zwischen drei- und fünftausend Muslime in Deutschland der salafistischen Auslegung des Islam anhängen. Insbesondere für Konvertiten scheint diese besonders reaktionäre und frauenfeindliche Form des Islam attraktiv zu sein, sie machen schätzungsweise zehn Prozent der Salafisten aus. Bekannte Konvertiten aus Deutschland sind der Prediger Pierre Vogel oder der ehemalige Gangsta-Rapper Deso Dogg, der sich nun Abu Talha Al-Almani nennt. Gegen letzteren ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin wegen Volksverhetzung, da er in seinen Liedern Osama bin Laden verherrlicht haben soll. In einer Videobotschaft von vergangener Woche drohte Abu Talha Al-Almani, es könne zu weiteren »Sachen« wie in Toulouse oder am Frankfurter Flughafen – gemeint sind offenbar die mörderischen Anschläge auf jüdische Kinder sowie Lehrer und auf US-Soldaten – kommen, wenn der deutsche Staat weiter Beleidigungen des Propheten Mohammed zulasse. Eine breitere deutsche Öffentlichkeit nahm die häufig schon an ihrer Kleidung und Barttracht an den mittelalterlichen Vorbildern, aber auch afghanischen Gotteskriegern orientierten Salafisten durch die kostenlose Koran-Verteilung zu Ostern wahr. Der Kölner Salafistenprediger und Geschäftsmann Ibrahim Abou-Nagie hatte im Rahmen der Kampagne »Lies!« in 35 deutschen Städten mehrere Hunderttausend Exemplare verteilen lassen.