Bei einer Anhörung im Bundestags-Rechtsausschuß haben zahlreiche Experten am vergangenen Mittwoch vor der Einführung des sogenannten Warnschußarrestes gewarnt und die Verschärfung des Jugendstrafrechts als unnötig und schädlich bezeichnet. Die Regierungsfraktionen wollen aber an ihren Plänen festhalten.
Der Gesetzentwurf der Koalition sieht vor, daß Jugendliche selbst bei einer Bewährungsstrafe für bis zu vier Wochen in Jugendarrest genommen werden können. Außerdem werde die »erzieherische« Wirkung der Strafe verbessert, wenn der Jugendliche für die Dauer des Arrestes aus seinem »schädlichen Umfeld«, etwa einer Jugendgang, herausgenommen werde. Diese Hoffnung steht allerdings auf wackligen Füßen: So verwies die Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, Theresia Höynck, darauf, daß das Umfeld, auf das ein Jugendlicher im Arrest stößt, nicht unbedingt vorteilhafter sei. Der Gießener Strafrechtsprofessor Arthur Kreuzer sprach von einer »Ansteckungsgefahr«, die durch den Kontakt mit anderen kriminalitätserfahrenen Jugendlichen im Arrest verstärkt würde. Es bestehe auch die Gefahr, daß der Arrest zum Angeben in der eigenen Clique diene, und andererseits eine soziale Stigmatisierung bewirke, die der Resozialisierung entgegenstehe. Mehrere Sachverständige bezweifelten die Effizienz des Warnschußarrestes, da sich gezeigt habe, daß die Rückfallquote eingesperrter Jugendtäter höher sei als jener, die zur Bewährung draußen blieben.
Andere Experten, insbesondere Richter und Staatsanwälte, befürworteten zwar die Regierungspläne, räumten auf Nachfragen aber ein, sich auf wenige Einzelfälle zu stützen. So hätten ihm Jugendliche in Gesprächen erzählt, daß ihnen ein kurzfristiger Beugearrest ihre schwerwiegende Lage erst bewußt gemacht und sie zu mehr »Bewährungsdisziplin« angehalten habe, berichtete Richter Stefan Scherer. Er führte aber zugleich an, das Jugendstrafrecht habe sich bisher bewährt, und es komme vor allem auf die Stärkung der Sozialarbeit an.
Die Idee des Warnschußarrestes wird in der Öffentlichkeit meist mit populistischen Hinweisen auf Jugendkriminalität begründet, wobei dann besonders schwere Gewalttaten herangezogen werden. Dabei zeigt die Kriminalitätsstatistik einen Rückgang der Jugendkriminalität. Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen, Christian Pfeiffer, verwies auf die Rolle moderner Medien: Per Video aufgezeichnete Taten würden häufig wiederholt und ließen das Problem massiver erscheinen als es wirklich sei. Auch die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Andrea Titz betonte, daß die »Visualisierung« jugendlicher Gewalt unverhältnismäßigen Einfluß auf die öffentliche Diskussion habe.
Mehrfach angesprochen wurde ein logischer Widerspruch in der Gesetzesentwurf: Zur Bewährung verurteilt würde nur, wer eine günstige Sozialprognose habe – da es sei unlogisch, diesen dann dennoch zu inhaftieren.
Der Entwurf der Bundesregierung sieht außerdem die Erhöhung des Strafrahmens für Kapitaldelikte von zehn auf 15 Jahre vor. Das wurde von den Experten deutlich abgelehnt: Das Jugendstrafrecht verfolge einen Erziehungsgedanken. Man könne nicht junge Erwachsene wegen Reifedefiziten nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilen und dann eine so hohe Strafe ansetzen, daß sie mit diesem Erziehungsgedanken nicht mehr zu vereinbaren sei.