Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm hat das Handtuch geworfen. Nach zwölf Jahren an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes ließ sich Fromm am Montag in den Ruhestand versetzen. Sein Rücktrittsgesuch war die Konsequenz aus »Ermittlungspannen« im Falle der Neonazi-Terrorgruppe NSU.
Kurz nach Auffliegen der für zehn Morde verantwortlichen Terrorzelle Anfang November 2011 hatte ein Referatsleiter des Bundesamtes sieben Aktenordner über V-Leute im neofaschistischen Thüringer Heimatschutz vernichten lassen. Dieser Nazikameradschaft gehörten auch die späteren NSU-Terroristen an. Fromm sprach von einem »erheblichen Vertrauensverlust« und einer »gravierenden Beschädigung des Ansehens des Amtes« aufgrund dieser Aktenvernichtung.
Doch dieser Vorgang ist nur die Spitze des Eisbergs, denn das eigentliche Problem ist der Einsatz dieser Verfassungsschutzspitzel selbst. Über V-Leute der Geheimdienste werden Nazibanden teilweise erst gegründet und personell und finanziell gestärkt. Der V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes Tino Brandt etwa, der den Thüringer Heimatschutz aufbaute, erhielt rund 200 000 Mark für seine mehrjährige Tätigkeit. Schließlich verhindert die Anwesenheit der V-Leute in den Naziorganisationen eine effektive Strafverfolgung, denn aus Sorge um ihre Quellen haben die Verfassungsschutzämter mehrfach Handlungen begangen, die sich kaum anders als Strafvereitelung bezeichnen lassen. Erinnert sei auch an das gescheiterte erste NPD-Verbotsverfahren im Jahr 2003, als das Bundesverfassungsgericht der Nazipartei aufgrund der hohen Dichte von V-Leuten in ihren Vorständen eine »fehlende Staatsferne« attestierte.
Aktion „Weil ich in Deutschland arbeite, lese ich als Marxist die junge Welt – zu Hause in Luxemburg die „Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek“ (http://www.zlv.lu).“
Robert, Esch-sur-Alzette
Wenn es sich bei Fromms Rücktritt nicht um ein reines Bauernopfer zur Ablenkung von schlimmeren Verfehlungen handelt, dann ist dieser Schritt vor allem als Eingeständnis zu werten, daß der Chef seinen Laden nicht im Griff hatte. Doch wenn schon der Präsident seinen Geheimdienst nicht kontrollieren kann – wie sollen das dann erst die dafür vorgesehenen parlamentarischen Kontrollgremien bewerkstelligen? Ein demokratisch nicht zu kontrollierender Geheimdienst zum Schutze eines demokratischen Verfassungsstaates aber ist ein Widerspruch in sich.
Die Thüringer Linksfraktion hat nach Bekanntwerden der tiefen Verstrickung des Geheimdienstes in den Nazisumpf im Landtag offen, aber leider auf isoliertem Posten, die Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz gefordert. Auch die Linksfraktion im Bundestag muß jetzt einen solchen Antrag einbringen. Zwar hat eine derartige Forderung angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament zur Zeit keine Aussicht auf Erfolg. Doch sie kann in der Öffentlichkeit die Erkenntnis durchzusetzen helfen, daß der Verfassungsschutz nicht nur Fehler gemacht hat, sondern selbst der Fehler ist.
Erschienen in: junge Welt 3.Juli 2012