Buchempfehlung: Victor Kocher: Terrorlisten. Die schwarzen Löcher des Völkerrechts

Praktisch kann in der neuen Ära nach „nine-eleven“ ein x-beliebiger amerikanischer Geheimdienstoffizier mit einem Federstrich jeden Mitgliedstaat der UNO dazu zwingen, eine verdächtige Person mit einem weitreichenden Bann zu belegen. Wer auf die Terrorlisten des UNO-Sicherheitsrats kommt, dem werden sämtliche Guthaben eingefroren, er hat keinen Zugang mehr zu Bankkonto oder Kreditkarte, niemand darf ihm mehr einen Lohn oder eine Rente auszahlen, und er kann keine Landesgrenze mehr überschreiten. Ausgerechnet der UNO-Sicherheitsrat, der Hüter des Weltfriedens und der Menschenrechte, ist Urheber dieser weit reichenden Sanktionen. Die Europäische Union und andere westliche Staaten, und erst recht autoritäre Regime in vielen Teilen der Welt, nutzten und nutzen bereitwillig dieses drastische Mittel zur Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte.

Es dauerte fünf Jahre, bis die UNO Ende 2006 überhaupt eine Stelle eingerichtet hatte, bei der betroffene Personen gegen die Sanktionen Einspruch erheben konnten. Erst weitere Jahre danach wurden die ersten Namen von der Schwarzen Liste gestrichen.

Die wesentlichen Fragen im Kampf gegen den Terrorismus werden von offizieller Seite indes weiter außer Acht gelassen: Wie konnte es dazu kommen, dass die westlichen Staaten mit einem Schlag ihre Grundwerte aufgegeben haben, auf die sie seit Jahrhunderten so stolz sind? Muss die Verfolgung von Terroristen unvermeidlich auf Kosten jener Errungenschaften gehen, die doch die Bürgerrechte des Einzelnen begründen und damit die Gesellschaft schützen sollten? Diesen Fragen geht Victor Kocher in seiner Recherche nach, beschreibt die kolossalen Übergriffe der Mächtigen gegen die Grundfesten der Bürgergesellschaft und illustriert seine Arbeit mit Fallbeispielen.

Der Autor:
Victor Kocher, geboren 1952 in Baden/Schweiz, ist Mitarbeiter der „Neuen Zürcher Zeitung“. Er widmete sich 25 Jahre lang zunächst als Redakteur, dann als Korrespondent dem Nahen Osten und der islamischen Welt. Zurzeit arbeitet er in Genf, um als diplomatischer Korrespondent die Welt der internationalen Organisationen, der Welt-Gouvernanz und der islamischen Staaten zu beobachten. Von ihm ist zuletzt erschienen: „Der neue Nahe Osten. Die arabische Welt im Friedensprozess“ (1996).

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