Bereits seit über einem Monat führen mehrere hundert Inhaftierte einen Hungersterik durch, von denen sich mittlerweile viele in einem kritischen Gesundheitszustand befinden. Ab dem vierzigsten Tag eines Hungerstreiks treten häufig schwere Gesundheitsschäden bis zum Tod auf. In der Türkei wird zudem davon berichtet, dass die Hungerstreikenden verschärfter Isolation und ständigen Mißhandlungen sowie Folter durch die Gefängniswärter ausgesetzt sind.
Die Hauptforderung der Streikenden ist die Freilassung des seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Abdullah Öcalan. Dadurch solle ein Dialog mit dem türkischen Staat ermöglicht werden, da Öcalan als Repräsentant der kurdischen Bevölkerung anerkannt ist und entscheidende Impulse für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage geben kann.
Bereits Anfang des Jahres hatten tausende politische Gefangene aus dem gleichen Grund einen 50 tägigen Hungerstreik in türkischen Gefängnissen durchgeführt. Dieser wurde mit einem ebenfalls 5o tägigen Hungerstreik kurdischer Intellektueller und ExilpolitikerInnen in Strasbourg (u.a. vor dem Europarat), mit der Forderung unterstützt, die EU solle politischen Druck auf die Türkei ausüben die Menschenrechte einzuhalten und einen Friedensdialog zu ermöglichen. Diesebzügliche Zusagen verantwortlicher PolitikerInnen der Europäischen Kommission und des Europaparlaments wurden bis heute nicht umgesetzt. Abdullah Öcalan befindet sich seit mehr als 400 Tagen in absoluter Isolation, die türkische Regierung hat den Konflikt mit der kurdischen Bevölkerung erneut juristisch, polizeistaatlich und militärisch zugespitzt. 2011 wurden 1555 Fälle von Folter angezeigt, fast täglich finden Militäroperationen statt, immer wieder wird von Kriegsverbrechen durch die Armee berichtet.
In türkischen Gefängnissen gibt es nur eine mangelhafte medizinische Versorgung. Gefangene müssen sich zudem oftmals im Beisein von Wärtern und Soldaten untersuchen lassen. Es wird systematisch gefoltert, viele Wärter werden u.a. gemäß der „Panama Schule“, einer Schulungsmethode von Folotermehtoden, ausgebildet. Auch dagegen richten sich die Gefangenen mit ihrem Hungerstreik. Familien die vor dem Gefängnis in der kurdischen Metropole Diyarbakir (kurd. Amed) den Hungerstreik mit einer Solidaritätskundgebung unterstützen wollten, wurden von der Polizei angegriffen. Auch in weiteren Städten ging die Polizei, Berichten zufolge, mit Gewalt gegen friedliche Kundgebungen vor.
Wir unterstützen die Forderungen der hungerstreikenden politischen Gefangenen in der Türkei. Eine friedliche Lösung der kurdischen Frage ist nur möglich, wenn alle beteiligten Akteure in einen Dialog treten. Dazu sind die Freilassung Abdullah Öcalans und die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei Grundvoraussetzungen.
Die Bundesregierung sollte den notwendigen politischen Druck auf die türkische Regierung entfalten, anstatt die Politik der juristischen und militärischen Gewalt gegen die kurdische Bevölkerung und Bewegung zu unterstützen und Zusagen bezüglich neuer „militärischer Abenteuer“ in Syrien zu machen, die die gesamte Region destabilisieren könnten.
In der Bundesrepublik sind dazu u.a. die Anerkennung der kurdischen MigrantInnen als gleichberechtigte MigrantInnengruppe, die Anerkennung und Förderung von muttersprachlichem Unterricht in allen Bundesländern, die Aufhebung des PKK Verbots, die Beendigung der § 129 b Verfahren gegen kurdische PolitikerInnen sowie der sofortige Stop sämtlicher Rüstungsexporte in die Türkei nötig.
Heidrun Dittrich, Mitglied des Bundestags (MdB), Die Linke
Ulla Jelpke, MdB, Die Linke
Harald Weinberg, MdB, Die Linke
Cansu Özdemir, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, Die Linke
Marion Padua, Stadträtin Nürnberg, Linke Liste
Yilmaz Kaba, Landesvorstand, Die Linke Niedersachsen
Hamide Akbayir, Die Linke
Michael Knapp, Historiker
Martin Dolzer, Soziologe
Dr. Peter Strutynski, Bundesausschuss Friedensratschlag