Rede zu TOP 35 der 237. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages
1.Beratung des Antrags der Fraktion Die Grünen „zu den Verordnungsvorschlägen über ein Einreise/Ausreisesystem (EES) und über ein Registrierungsprogramm für Reisende (RTP) und die dafür erforderliche Anpassung des Schengener Grenzkodex“ auf 17/
Die EU-Kommission hat in diesem Jahr ihr so genanntes „smart border package“ vorgelegt, mit dem die Rechtsgrundlage für zwei neue Datenerfassungssysteme an den EU-Außengrenzen geschaffen werden soll. Sie folgt mit diesen Vorschlägen dem Konzept der „intelligenten Grenzen“.
Doch dieser Begriff ist nichts als eine Beschönigung. Es geht um die totale Erfassung aller Daten von Reisenden in die EU, den Zugang von Strafverfolgungsbehörden auf diese Daten und nicht zuletzt um 1,1 Milliarden Euro, die auf diesem Wege in die Taschen der Konzerne strömen. Es sind die gleichen Konzerne, die die EU-Staaten auch mit allen möglichen anderen Technologien zur Grenzüberwachung beliefern: die großen Rüstungskonzerne EADS, BAE, Thales, IAI verdienen sowohl an der Hochrüstung der Grenzüberwachung mit Hubschraubern, Schiffen und Drohnen als auch an der automatisierten Ein- und Ausreisekontrolle.
Diesen beiden Vorschlägen ging im letzten Jahr der Vorschlag für ein EU-System zur Erfassung von Flugpassagierdaten von Reisenden in die EU voraus, das EU-PNR. Die Europäische Union nähert sich damit der schlechten Utopie einer totalen Überwachung von Drittstaatsangehörigen in der EU. Die beiden aktuellen Vorschläge setzen die Erfassung biometrischer Daten der Reisenden voraus. Im entry-exit-system EES sollen nach dem Vorschlag der EU-Kommission zunächst nur die Daten aus dem Reisepass, die biometrischen Daten erst nach einer Übergangsphase von drei Jahren erfasst werden. Dann müssen alle Reisenden beim Grenzübertritt ihre Fingerabdrücke hinterlassen, um bei der Ausreise ihre Identität bestätigen zu können. Daneben schlägt die Kommission vor, nach einer Evaluation nach zwei Jahren zu prüfen, ob auch Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf diese Daten erhalten sollen.
Die Bundesregierung im Verein mit einer Reihe anderer EU-Staaten drängt bei den Verhandlungen im EU-Rat darauf, die Fingerabdruckdaten sofort zu erfassen und den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff zu geben. Neben dem Visa-Informationssystem und dem Fingerabdrucksystem für Asylsuchende EURODAC wäre das EES das dritte Datensystem, mit dem auf EU-Ebene massenhaft biometrische Daten von Drittstaatsangehörigen gesammelt und den Behörden zugänglich gemacht werden sollen. Auch wenn es aus der Kommission und aus dem Europaparlament Widerstand gegen diese Pläne gibt: wo Daten in solcher Menge vorhanden sind, wachsen die Begehrlichkeiten der Sicherheitsbehörden. Nach den bisherigen Erfahrungen ist nicht zu erwarten, dass Kommission und Parlament diesem Druck standhalten werden.
Die EU-Kommission will sich ihren Traum von der elektronischen Grenzüberwachung einiges kosten lassen. 1,1 Milliarden Euro sind für den Aufbau beider Datengroßsysteme veranschlagt. Nach den Erfahrungen mit dem Schengener Informationssystem und dem Visa-Informationssystem dürfte es auch noch einiges mehr werden. Darin noch gar nicht enthalten sind die Kosten der Mitgliedsstaaten, die nahezu jeden Grenzübergang mit der entsprechenden Technologie ausstatten müssen. Das alles um ein paar Menschen zu schnappen, die die Gültigkeitsdauer ihres Visums überziehen, ist vollkommen unverhältnismäßig. DIE LINKE lehnt diese Pläne deshalb ab und wird den Antrag der Grünen-Fraktion unterstützen.