2.+3. Beratung des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion „zur Verbesserung der Situation Minderjähriger im Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht“ auf BT-Drs 17/9187
Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD fordert im Kern, den Vorrang des Kindeswohls in allem behördlichen Handeln gesetzlich zu verankern. Dies ist eine der zentralen Forderungen aus der UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland ratifiziert hat . Der Vorrang des Kindeswohls soll nach dem Willen der SPD nun auch ausdrücklich im Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz verankert werden. Die „Verfahrensmündigkeit“ im Asyl- und Aufenthaltsrecht bereits ab 16 Jahren soll zurückgenommen werden. Die Verfahrensmündigkeit ab 16 Jahren führt heute dazu, dass selbst unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Asylverfahren wie Erwachsene behandelt werden. Zurückweisungen an den Grenzen sollen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ebenso verboten sein, wie die Durchführung eines Asyl-Flughafenverfahrens oder die Unterbringung in Asyl-Erstaufnahmeeinrichtungen. Um die Jugendlichen optimal zu begleiten, sollen in jedem Fall sofort die Jugendämter eingeschaltet werden, um sich um Fragen der Unterbringung und Betreuung zu kümmern. Das betrifft auch die Bestellung eines Vormundes, der die Jugendlichen dann auch in allen asyl- und aufenthaltsrechtlichen Fragen vertreten kann.
Diese Forderungen entsprechen im Wesentlichen dem, was auch DIE LINKE in zwei Anträgen in dieser Wahlperiode bereits gefordert hat. Auch die Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen kritisieren regelmäßig den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland und fordern deutliche Verbesserungen. Der Vorbehalt gegen die UN-Kinderrechtskonvention, mit dem die Bundesrepublik über Jahre hinweg verhindert hat, dass diese wichtige Konvention auch für ausländische Kinder in Deutschland gilt, wurde zwar zurückgenommen. Geändert hat sich an der prekären Lage der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren aber nichts.
In einer Anhörung des Innenausschusses zu diesem Gesetzentwurf wurde von den Sachverständigen der Regierungskoalition die Ansicht vertreten, eine eigene Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland sei überflüssig. Sie erfolge bereits auf dem Umweg über die EU, die in der Neufassung der Aufnahme- und der Asylverfahrensrichtlinie auch die UN-Kinderrechtskonvention beachte. Deshalb sei die Konvention in Deutschland gar nicht mehr eigenständig umzusetzen, dies geschehe automatisch durch die EU-Asyl-Richtlinien und die Rechtsprechung des EuGH.
Diese Argumentation ist dürftig. Nichts hindert ja den deutschen Gesetzgeber daran, im Vergleich zu den EU-Asyl-Richtlinien günstigere Regelungen zu beschließen. Im Gegenteil: wenn die Asyl-Richtlinien nach Ansicht des Bundestages kein ausreichendes Schutzniveau für minderjährige Flüchtlinge vorsehen, dann besteht geradezu die Pflicht, günstigere Regelungen zu beschließen. Da nach unseren Kenntnissen kein anderer EU-Staat solch eine absurde Regelung zur Asylverfahrensmündigkeit kennt, enthält die Neufassung der EU-Asylverfahrensrichtlinie dazu nach dem derzeitigen Verhandlungsstand auch nichts. Außerdem erfolgt die Umsetzung der Richtlinien erst in ein bis zwei Jahren; die unbegleiteten Minderjährigen sind aber jetzt in der Bundesrepublik und brauchen Schutz und Unterstützung.
Wir werden dem Antrag der SPD deshalb zustimmen.