Uns liegt heute ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Qualifikations-Richtlinie vor, die regelt, unter welchen Umständen Schutzsuchende als Flüchtlinge anerkannt werden und Schutz erhalten sollen. Diese Richtlinie wird weitgehend korrekt umgesetzt, nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. Die Koalition hat im Innenausschuss noch Änderungen beim einstweiligen Rechtsschutz im Dublin-Überstellungsverfahren beschlossen, allerdings nur in einer Schmalspurvariante. Asylsuchende, die zuvor über einen anderen EU-Staat eingereist sind, müssen nach der Dublin-Verordnung dort ihr Asylverfahren betreiben. Dafür werden sie dorthin überstellt, also innerhalb der EU abgeschoben. Bislang ist es nach dem Gesetz ausgeschlossen, gegen eine solche Überstellung einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen. Künftig soll im Dublin-Verfahren nach der vorgeschlagenen Regelung innerhalb einer Woche ein Antrag auf einstweilige Aussetzung der Überstellung eingelegt werden können. Eine Klage an sich hat aber keine aufschiebene Wirkung. Auch fehlt eine Klarstellung, dass in der einwöchigen Frist eine Überstellung nicht vollzogen werden darf. Das ist ein Rechtsschutz 2. Klasse und wird von uns deshalb als unzureichend abgelehnt.
Meine Fraktion fordert in ihrem Antrag, der heute ebenfalls zur Abstimmung vorliegt, darüber hinaus, die Verfahrensrechte der Betroffenen im Asylverfahren insgesamt wieder den üblichen Standards und Vorgaben im Verwaltungsverfahrensrecht anzugleichen und das Sonderprozessrecht im Asylbereich endgültig aufzugeben.
Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Dublin-Überstellungsverfahren ist zwingend! Aufgrund der teils verheerenden Zustände in den Asylsystemen anderer EU-Staaten – namentlich Griechenland, Italien, Zypern und Ungarn – haben zahlreiche Verwaltungsgerichte in den vergangenen Jahren sogar entgegen der Gesetzeslage einstweiligen Rechtsschutz angeordnet. Allein Abschiebungen nach Italien waren davon 200 mal betroffen. Das Problem ist, dass die Betroffenen nach jetziger Rechtslage bis zu einer Entscheidung des Gerichts „Freiwild“ der Exekutive sind. In der Praxis wurde sogar alles getan, um Asylsuchende davon abzuhalten, Rechtsmittel einlegen zu können, indem ihnen und ihren Rechtsanwälten die bevorstehende Überstellung nicht oder erst auf dem Weg zum Flugzeug mitgeteilt wurde. Ich kann nur hoffen, dass diese rechtbrechende Praxis in Zukunft unterbleibt, denn leider fehlt eine klare Bestimmung hierzu im Änderungsantrag der Koalition.
Der Regierung bleibt gar nichts anderes übrig, als zumindest einen Minimal-Rechtsschutz zu gewährleisten. Denn auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgerichts haben im Sinne des Rechtsschutzes geurteilt. Die Dublin-Verordnung wird unter anderem deshalb in diesem Punkt derzeit überarbeitet und eine Neufassung voraussichtlich Ende des Jahres in Kraft treten. Leider werden Sonderregelungen im deutschen Asylrecht ansonsten EU-rechtlich weiter legitimiert. Das gilt etwa für Asylschnellverfahren am Flughafen. Dieses rechtsstaatswidrige Schnellverfahren wollen wir mit unserem Antrag abschaffen. Auch die Widerrufsverfahren, die noch Jahre nach der Asylanerkennung zur Rücknahme des Flüchtlingsschutzes führen können, wollen wir beenden. Sie sorgen für große Verunsicherung bei den Betroffenen, die zum Teil seit vielen Jahren in Deutschland leben. Die deutsche Regelung, in allen Fällen und ohne konkreten Anlass nach drei Jahren automatisch eine Widerrufsprüfung vorzunehmen, ist in der EU einmalig und gehört abgeschafft!
Schließlich fordern wir in unserem Antrag, dass die Bundesrepublik endlich eine gesetzliche Grundlage für eine dauerhafte Beteiligung an den resettlement-Programmen des UN-Flüchtlingshilfswerks schafft. Für die Jahre 2012-2014 hat die Konferenz der Innenminister und –senatoren (IMK) die Aufnahme von jährlich 300 Menschen beschlossen, die in anderen Staaten in Flüchtlingslagern leben und für die der UNHCR um Aufnahme bittet, weil in diesen Lagern keine angemessene Betreuung gegeben ist. Das betrifft beispielsweise schwer traumatisierte Flüchtlinge oder unbegleitete Kinder. Die Beteiligung an diesen resettlement-Programmen darf in Zukunft nicht mehr von der politischen Tageslaune der Bundesländer abhängig gemacht werden, die sich auf der IMK einvernehmlich einigen müssen. Deshalb wollen wir eine eigene gesetzliche Grundlage und feste jährliche Quoten, die selbstverständlich deutlich über den genannten 300 Personen liegen müssen. Die Beteiligung an resettlement-Programmen ist auch ein Zeichen der internationalen Solidarität an jene Staaten, die in der Nachbarschaft von Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten die Hauptlast der Flüchtlingsaufnahme tragen müssen.
DIE LINKE fordert darüber hinaus einen weiteren Ausbau des Flüchtlingsschutzes. Bürgerkriegs-, Kriegs-, Umwelt- und Armutsflüchtlinge sind bislang von der Genfer Flüchtlingskonvention und den einschlägigen EU-Richtlinien gar nicht oder nur ungenügend erfasst. Den Schutz dieser Menschen kann die Bundesrepublik nicht im Alleingang regeln. Wir fordern daher, dass die Bundesregierung auf europäischer und internationaler Ebene aktiv wird, um auch für diese Menschen einen wirksamen Schutzstatus zu erreichen.
(nach Absprache aller Fraktionen zu Protokoll gegeben.)