Für Reisende war der ungewohnte Service ein Plus, weil am städtischen Bahnhof aufgrund von Bauarbeiten derzeit nur eine Treppe mit 100 Stufen über die Gleise führt. Sowohl in der deutschen als auch der internationalen Presse wurde die Idee von Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) aber kritisch aufgenommen (siehe auch jW vom 24.7.). Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, sprach mit Blick auf das Projekt von einem »Rückfall in die Kolonialzeit«. Nach zwei Tagen stieg die Bahn aus und behauptete, über die Modalitäten nicht informiert gewesen zu sein. Auf den Facebook-Seiten der Stadt, aber auch der von Jelpke, ereiferten sich Unterstützer der Idee und verteidigten sie als hilfreiche Integrationsmaßnahme.
OB Arnold äußerte im Südwestfernsehen, seine Initiative habe den Flüchtlingen die Möglichkeit gegeben, mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Er selbst sehe die restriktive Asylpolitik seines Parteifreundes, des Bundesinnenministers Hans Peter Friedrich, durchaus kritisch, könne aber die Bundesgesetzgebung nicht ändern. Die sehe nun mal vor, daß Asylsuchende zumindest im ersten Jahr ihres Aufenthaltes nicht mehr als 1,05 Euro pro Stunde verdienen dürften. Zudem verwies Arnold darauf, daß Flüchtlinge auch in der Stadtverwaltung arbeiteten und dort für »frischen Wind« sorgten – ebenfalls für 1,05 Euro die Stunde.
Die Lokalpresse zitierte regelmäßig die neun »Kofferträger«, die sich freiwillig gemeldet hatten. Sie hätten zum ersten Mal die Gelegenheit, sich nützlich zu machen, äußerten diese. Die Alternative bestehe nur darin, zusammen mit 250 anderen Asylsuchenden untätig in der Sammelunterkunft zu sitzen, einer ehemaligen Kaserne der US-Armee. Das Nichtstun mache »krank im Kopf«, sagte einer der Flüchtlinge.
Das bestreiten auch die Kritiker des Projekts nicht. Der baden-württembergische Linke-Geschäftsführer Bernhard Strassdeit kritisiert aber, da würden »Menschen unwürdig ausgenutzt«. Man dürfe gar nicht erst anfangen, so einen Hungerlohnbereich aufzumachen. Vorsichtiger drückt sich der Gmünder Linke-Stadtrat Sebastian Fritz aus: Zweifellos wolle der Bürgermeister die Situation von Flüchtlingen verbessern, mit der Kofferträgeridee sei er aber übers Ziel hinausgeschossen.
Am Mittwoch nun sprach die Linkspartei-Abgeordnete Jelpke in Schwäbisch-Gmünd mit Politikern und Flüchtlingen. Dabei wurde erstmals deutlich, daß unter den Flüchtlingen keineswegs einhellige Begeisterung über das Projekt herrscht. Mehrere Flüchtlinge kritisierten es als »unwürdig« und »moderne Sklaverei«. Jelpke wies darauf hin, daß auch Asylbewerber regulär beschäftigt werden dürfen, wenn sie länger als ein Jahr in der BRD leben – vorausgesetzt, es gibt keine anderen Bewerber auf eine Stelle. Die Politikerin betonte, sie könne die Motive der Kofferträger nachvollziehen. Es sei aber nötig, die Gesetzeslage auf Bundesebene zu ändern, also das Arbeitsverbot und die weiteren Einschränkungen abzuschaffen. »Unwürdige und ausbeuterische Beschäftigungsverhältnisse haben mit Integration nichts zu tun«, so Jelpke gegenüber jW. Linke-Stadtrat Fritz sagte dieser Zeitung, die Debatte habe aufgezeigt, daß es seiner Partei nicht darum gehe, Flüchtlingen »Jobs« wegzunehmen, sondern die restriktiven Asylgesetze zu verändern. Fritz stellte inzwischen ein Konzept vor, mit dem Asylbewerbern die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ermöglicht werden soll.