Am Mittwoch sind die ersten 107 von 5000 syrischen Flüchtlingen in Niedersachsen empfangen worden, deren Aufnahme die Innenminister von Bund und Ländern schon im Mai beschlossen hatten. Ausgewählt werden sie in Abstimmung mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. So werden etwa alleinstehende Kinder, Frauen ohne Angehörige oder Angehörige religiöser Minderheiten aufgenommen. Aber auch »familiäre Bezüge« zu Deutschland spielen bei der Auswahl eine Rolle. 250 Flüchtlinge aus diesem Kontingent sind bereits auf eigene Faust in die Bundesrepublik eingereist, alle weiteren kommen nun mit Chartermaschinen direkt aus dem Libanon. Auf dem Flughafen in Hannover wurden sie von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seinem niedersächsischen Kollegen Bernd Pistorius (SPD) empfangen. Sie reisten dann weiter ins Grenzdurchgangslager Friedland. Von dort aus werden sie nach etwa 14 Tagen auf die Bundesländer verteilt. Politiker mehrerer Parteien hatten die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen gefordert. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) fand, daß es »wirklich notwendig« ist, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, nannte aber keine Zahl. Die Linke forderte, die EU müsse ihre Grenzen endlich für Flüchtlinge öffnen, »statt sie mit militärischer Abschottung auf immer gefährlichere Routen über das Mittelmeer zu zwingen«.
Mittlerweile haben sich fast alle Bundesländer bereit erklärt, den Nachzug auch von Verwandten zweiten Grades zu erlauben, zehn haben dazu Anordnungen an ihre Ausländerbehörden erlassen oder angekündigt. Der Teufel steckt aber im Detail. So haben Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Kontingente festgelegt: 500 Flüchtlinge dürfen nach Baden-Württemberg, 1000 nach Nordrhein-Westfalen. Allein dort leben 12700 syrische Staatsangehörige.
Zugleich bestehen hohe finanzielle Hürden für die Aufnahme von Verwandten. Sie ist an die Abgabe einer Verpflichtungserklärung gekoppelt. Damit übernehmen die in Deutschland lebenden Verwandten alle Kosten, die für Unterkunft und Verpflegung anfallen, hinzu kommt die Krankenversicherung. Die »Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender« (GGUA) aus Münster kritisiert in einer Stellungnahme: »Nur Hochverdienende könnten die Vorgaben erfüllen. Für mehrköpfige Familien wäre die Aufnahme faktisch ausgeschlossen.« Dafür rechnet die GGUA zwei Beispiele vor: Will eine alleinstehende Person eine andere alleinstehende Person aufnehmen, benötigt sie nach den Regeln für die Verpflichtungserklärung ein Nettoeinkommen von 2090 Euro. Eine Familie mit zwei Kindern benötigte ein Nettoeinkommen von 4200 Euro, um ein Großelternpaar aufnehmen zu können. »Im besten Fall«, so die GGUA, »steht die aufnehmende Familie am Ende vor einem Schuldenberg. Im schlechtesten Fall haben die Angehörigen keine Chance, der syrischen Hölle zu entkommen.«