Vor einem Jahr wurde eine neue Facebook-Gruppe angemeldet: die Identitäre Bewegung Deutschlands (IBD). Innerhalb weniger Wochen hatte sie über 4000 Unterstützer. Ihr Symbol ist der griechische Buchstabe Lambda auf gelbem Grund, der im Historienfilm »300« auf den Schilden der gegen eine feindliche persische Übermacht ankämpfenden Spartaner prangte. So fühlen sich die Identitären – als »neue Spartaner« im Kampf gegen »Multikulturalismus« und »für den Schutz des europäischen Kontinents vor Überfremdung, Massenzuwanderung und Islamisierung«.
Der Ursprung der in mehreren europäischen Ländern aktiven Identitären Bewegung findet sich in Frankreich beim Bloc identitaire, einer Nachfolgeorganisation der aufgrund ihrer rassistischen und gewalttätigen Ausrichtung im Jahr 2002 verbotenen Unité radicale. Nach der Besetzung eines Moscheedachs im westfranzösischen Poitiers im Oktober letzten Jahres prüfte die französische Regierung das Verbot des Jugendzusammenschlusses Génération identitaire wegen Anstachelung zum Rassenhaß. Aus rechtlichen, nicht aus politischen Gründen, wurde die Verbotsabsicht allerdings vor einigen Monaten fallengelassen.
Auf Zuspruch stieß die IBD bei sich intellektuell gebenden Rechtsaußenzeitschriften im Burschenschaftermilieu wie Junge Freiheit und Blaue Narzisse, dem als »Denkfabrik« der rechten Szene fungierenden Institut für Staatspolitik und bei offen auftretenden Neonazis. »Der Nationale Widerstand […] wittert in der IBD ein Auffangbecken und ein neues, unverbrauchtes Etikett für den alten Wein, den er anzubieten hat«, bestätigte ein Autor der dem Institut für Staatspolitik nahestehenden »Sezession im Netz«. Während Michael Schäfer vom Bundesvorstand der Jungen Nationaldemokraten den Verzicht auf »Spießigkeit« lobte, bezeichnete der JN-Bundesvorsitzende Andy Knape die Bewegung als nicht mit »unserer Ideenwelt übereinstimmend«. Mit der Kampagne »Identität – Werde, wer du bist« versuchte die NPD-Jugend, dennoch auf den Zug aufzuspringen.
Ihre Botschaft beinhalte »0% Rassismus«, behauptet die IBD. Statt des völkischen Rassismus vieler Neonazis vertreten die Identitären das ethnopluralistische Konzept der »neuen Rechten«, in dem nicht biologische Abstammung, sondern Kultur das entscheidende Abgrenzungsmerkmal von den »Fremden« ist. Offen rassistische, fremdenfeindliche oder volksverhetzende Äußerungen der IBD seien der Bundesregierung zwar bislang nicht bekannt, heißt es jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Dennoch prüfe das Bundesamt für Verfassungsschutz »das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte« für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Im Bremer Verfassungsschutzbericht tauchen die Identitären bereits auf, und im Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus/-terrorismus (GAR) wurde die IBD mehrfach thematisiert.
Mittlerweile existieren nach Erkenntnissen der Bundesregierung über 50 lokale und regionale IBD-Untergruppen. Im vergangenen Jahr hatte Bundesverfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen die Identitären noch als »virtuelle Erscheinungsform des Rechtsextremismus« mit »bislang wenig Realweltbezug« bezeichnet. Diese Einschätzung hat die Bundesregierung mittlerweile revidiert. »Der Schwerpunkt der Aktivitäten der IBD liegt weiterhin im Internet, dennoch handelt es sich nicht mehr nur um eine rein virtuelle Gruppierung«, warnt die Bundesregierung und verweist auf öffentlichkeitswirksame Auftritte der Identitären wie Flugblatt-Verteilungen, Sprühaktionen und Flashmobs, die anschließend als Videos im Internet verbreitet wurden. So postierten sich am 1. Juni sieben Aktivisten auf der Düsseldorfer Königsallee mit weißen Schutzanzügen und Mundschutz vor Geschäften, um vor dem Szenario einer identitätslosen Gesellschaft durch »Überfremdung« und Multikulturalismus zu warnen. Zuletzt wurden Mitte September drei Dutzend Identitäre in Hamburg von Antifaschisten daran gehindert, einen Flashmob zu veranstalten.