Ihre Zahl, sie werden im Amtsdeutsch als »unbegleitete minderjährigen Flüchtlinge« bezeichnet, ist seit Jahren konstant. Das hat die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion bestätigt.
2096 dieser Minderjährigen wurden im Jahr 2012 als Asylbewerber registriert. Fast die Hälfte, 1003 Kinder, kommt aus Afghanistan. Die Zahlen für die Inobhutnahme unbegleiteter Minderjähriger durch die Jugendämter liegen allerdings noch weit darüber: Um 4323 ausländische Kinder und Jugendliche kümmerten sich im vergangenen Jahr die Behörden. Das hat der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BUMF) ermittelt. Die große Differenz erklärt sich daraus, daß einige dieser Minderjährigen erst gar keinen Asylantrag stellen, weil sie die Bundesrepublik lediglich als Transitland nutzen oder weil sie ein Asylverfahren für aussichtslos halten. Viele von ihnen erhalten dann aber zumindest eine Duldung, weil sie wegen der Zustände im Herkunftsland nicht abgeschoben werden dürfen.
Seit 2005 müssen die unbegleiteten jungen Flüchtlinge durch die Jugendämter der Kommunen in Obhut genommen werden. Dort werden Fragen zur Vormundschaft und zu einem möglichen Asylverfahren geklärt. Besonders umstritten sind die obligatorischen Altersfeststellungsverfahren, unter anderem durch das Röntgen von Knochen. Wer infolge dieser Verfahren als über 16jährig eingestuft wird, gilt als »verfahrensmündig« und muß sein Asylverfahren wie ein Erwachsener selbst betreiben. Flüchtlingsorganisationen sehen darin einen klaren Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention, die den Vorrang des Kindeswohls bei allem staatlichen Handeln vorschreibt.
In den Kommunen fehlen weiterhin ausreichend Aufnahmeplätze und Betreuungsmöglichkeiten für die häufig traumatisierten Kinder und Jugendlichen. Statt in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht zu werden, verfrachtet man sie in Sammellager, beispielsweise in Bayern. Der BUMF spricht in bezug auf die Erstaufnahmeeinrichtung für 16- bis 17jährige Asylsuchende in München von einer der »schlimmsten Einrichtungen in Deutschland«, in denen Jugendliche untergebracht werden. Es fehlt an ausreichendem Inventar, warmes Essen zuzubereiten, es gibt kaum Freizeitmöglichkeiten, die Duschen haben zeitweise kein warmes Wasser. In anderen Bundesländern stiegen im vergangenen Jahr die Zugangszahlen stark. So mußte die Bremer die Aufnahmeeinrichtung für jugendliche Flüchtlinge einen Aufnahmestopp verhängen mußte. Der soziale und psychologische Betreuung wird an vielen Orten auf ehrenamtliche Initiativen abgewälzt, die sich gar nicht ausreichend um die Jugendlichen kümmern können.
Der Mangel an Aufnahmeplätzen hat neben den fehlenden Ressourcen der Kommunen und fehlendem politischen Willen, sich um angemessene Lebensbedingungen für die Minderjährigen zu kümmern, auch mit den schleppenden Asylverfahren zu tun. Afghanische Jugendliche warten mittlerweile über ein Jahr auf eine Entscheidung über ihren Antrag, immer mehr werden abgelehnt. Erhielten 2010 noch 55 Prozent einen Schutzstatus, waren es 2012 nur noch 38 Prozent. Doch nicht allen von ihnen wird überhaupt ein Asylverfahren in Deutschland ermöglicht: Immer mehr werden in einen anderen EU-Staat abgeschoben, den sie bei ihrer Flucht zuerst durchquert haben. 341 Mingerjährigen ging es im vergangenen Jahr so. Daß dies ganz offensichtlich nicht im Sinne des Kindeswohls ist, kümmert die Bundesregierung nicht.