Die CDU/CSU fordert in ihren Koalitionsgesprächen mit der SPD weit gehende Angriffe auf die Bürgerrechte und neue Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei. Dazu gehören vor allem die Kontrolle des Internetverkehrs und Verschärfungen sogenannter Antiterrorgesetze. Ins Gespräch brachte sie auch die Nutzung der Mautdaten für Fahndungszwecke. Damit steht zu befürchten, daß sich die große Koalition als Koalition der Überwachungsgesetze erweist.
Die Forderungen stehen in einem 30seitigen Positionspapier, das sich auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zu eigen gemacht habe. Das berichteten am Mittwoch das Nachrichtenmagazin Spiegel und das ARD-Politmagazin »Monitor«. Letzterem zufolge strebt die Union vor allem nach einer Verschärfung der Internetüberwachung. Es werde eine »Ausleitung des Datenverkehrs an zentralen Internetknoten« angestrebt. Dort könnten dann Geheimdienste oder die Polizei herauslesen, welcher Internetnutzer sich auf welchen Seiten umsieht, auch E-Mails könnten abgefangen werden. Das Verfahren ähnelt dem vom US-Geheimdienst NSA verwendeten. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag Jan Korte warf der Union vor, sie wolle »die US-Überwachungspolitik in die Bundesrepublik importieren. Wenn sie auch nur einen Teil ihrer Forderungen durchsetzt, droht auf breiter Front ein datenschutz- und bürgerrechtlicher Dammbruch.«
Intensiviert werden soll auch die Überwachung öffentlicher Plätze mittels Videokameras. Dazu will die Union bereits im Bundeshaushalt 2014 zusätzliche Mittel für die Bundespolizei bereitstellen lassen. Verschärft werden sollen zudem die Paragraphen 129 und 129a des Strafgesetzbuches. Diese stellen die bloße Zugehörigkeit zu kriminellen bzw. terroristischen Vereinigungen unter Strafe, unabhängig vom Nachweis individueller Straftaten. Ein entsprechender Vorwurf eröffnet der Polizei weitreichende Möglichkeiten zur Überwachung der Kommunikation bis hin zum Lauschangriff. Details zur geplanten Verschärfung wurden gestern noch nicht bekannt.
Vorläufig aufgeben mußte die Union am Mittwoch aber ihren Plan, auch an die Daten heranzugehen, die bei der Autobahnmaut erfaßt werden. Bislang gilt hier eine strikte Zweckbindung: Jede andere Nutzung als zur Abrechnung der LKW-Maut ist im Gesetz ausdrücklich untersagt. Das wollte die Union nun ändern, um »Verbrecher effektiv verfolgen zu können«, so ein Sprecher des Innenministeriums.
Schon kurz nach der Einführung im Jahr 2005 wurden Forderungen laut, auf den strengen Datenschutz zu verzichten. Die Polizei präsentierte Delikte, in denen LKW-Fahrer als Opfer oder Verdächtige von Straftaten auftauchten und die Nutzung der Mautdaten wichtig für die Aufklärung sein sollte. Die Vorstellungen reichten von einer Beschränkung auf besonders schwere Straftaten bis hin zur vom damaligen Generalbundesanwalt Kay Nehm geforderten Jagd auf Verkehrssünder. Auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion kündigte die Bundesregierung im Jahr 2006 einen Gesetzentwurf an, der »eine Erweiterung der Zweckbindung auf Zwecke der Strafverfolgung und gegebenenfalls der Gefahrenabwehr« vorsehen sollte. Umgesetzt wurde das damals aber nicht.
Die an 300 Kontrollbrücken an Autobahnen montierten Überwachungsgeräte der Firma Toll Collect erfassen sämtliche Fahrzeuge, die unter ihnen durchfahren. Dazu werden jeweils Fotos des gesamten Gefährts sowie des zugehörigen Kennzeichens angefertigt. Gespeichert werden bislang aber nur die Daten von LKW, die mutmaßlich »Mautprellerei« betreiben, alle anderen Daten werden sofort gelöscht.
Der Vorstoß der Union provozierte am Mittwoch scharfe Ablehnung von Datenschützern. Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Kiel sagte, die Vorschläge »atmen den Geist der Massendatenüberwachung à la NSA«, der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar lehnte den Umbau des Mautsystems zu einem Überwachungssystem ebenfalls ab. Ohnehin hätte die Einführung einer solchen Vorratsdatenspeicherung mit Verkehrsdaten von Millionen Bürgern kaum vor dem Bundesverfassungsgericht Stand gehalten. Am Mittwoch nachmittag ließ Friedrich dann erklären, die Pläne, die womöglich nur ein Testballon waren, hätten sich »erledigt« und würden jedenfalls »so nicht umgesetzt«.